Assoziationen Dissoziationen – und umgekehrt. Hysterie nicht mehr an der Quellenstrasse.
Die Veranstaltung zur Preisverleihung 2021 von The Missing Link und Link 2 Future.
Assoziationen meinten – lange bevor sie zu einem psychologischen und psychoanalytischen Begriff wurden – soziale Vereinigungen, Bildungen der res publica. Und natürlich sind diese immer schon mit Dissoziationen vergemeinschaftet und das Spiel beider Tendenzen ist die Bedingung dafür, dass diese Gebilde sich ändern können, dass sie sich entwickeln und erneuern können. Wenn nicht mehr gespielt werden kann und darf, dann ist es – wie die Schweizer sagen – «fertig lustig», womit auf die Lust als wesentliches Element des Spiels – und umgekehrt auf das Spiel als wesentliches Element der Lust – hingewiesen wird. Mit «Hysterie nicht mehr an der Quellenstrasse» – als Teil des Titels für die Veranstaltung zur Preisverleihung 2021 – haben wir nicht nur auf die institutionelle Trennung angespielt, zu der es im Kontext dieser Veranstaltung gekommen ist, sondern auch darauf, dass die Hysterie nicht nur als Psychopathologie zu verstehen ist. Immerhin ist sie das Feld, in dem Freud die Psychoanalyse entdeckt hat, die er von den Hysterikerinnen, die nicht nur ihn in den Bann gezogen haben und ziehen, geschenkt bekommen hat – man denke an den Traum von Irmas Injektion. Die Hysterie ist das Spiel von Dissoziationen und Assoziationen, von immer wieder neuen Verknüpfungen und ihren Auflösungen, ihren Auflassungen, sie ist das Spiel, das immer wieder nach Lust und Erfüllung der Wünsche sucht, sehr wohl wissend, dass man dabei zu keinem Ende kommen wird.
Und wenn wir von sozialen Bildungen und Gebilden sprechen, ist damit immer schon das Bild mit im Spiel als eines, auf das man sich immer wieder ausrichtet, das man anstrebt. Bilder sind aber auch dann, wenn sie von der Malerin oder dem Maler frei- und weggeben werden, nicht abgeschlossen – und nicht selten ist dieses Abgeben eines Bildes nicht nur Entscheid, nicht mehr weiter daran zu arbeiten, sondern auch eine Hilfe dabei. Bilder sind ja – und das macht ganz sicher einen Teil ihrer Qualität aus – eine Komposition sehr vieler Aspekte und Elemente, nicht nur der dargestellten, sondern auch von Farben, von Räumlichkeit und Lichtgebung, die immer neue Perspektiven ermöglicht und eröffnet, damit sind sie sehr lebendige Gebilde, weil sie immer wieder andere Blicke aus anderen Verbindungen und Assoziationen ermöglichen und eröffnen.
Und wenn Freud – nachdem er die Hypnose als Behandlungsart aufgegeben hat – seine Analysandinnen zum Assoziieren anhielt, kreierte er damit nicht nur die psychoanalytische Methode, sondern wies damit das psychoanalytische Denken als ein assoziatives aus. Als eines, das nicht nur für die Analysanden gilt, vielmehr – und nicht weniger – auch für die Psychoanalytikerinnen. Aber selbstverständlich gibt es das immer wieder, dass man nicht mehr spielen mag, weil es ernst wird und dieser Ernst des Lebens scheinbar unausweichlich wird, dann kann es zum Bruch – mit Assoziierten, nicht zuletzt mit dem Spiel – kommen, die Dissoziation wird zum endgültigen Schnitt.
Das Medium des Films führt vor – darin dem Traum und seinen unübersehbar assoziativen Verknüpfungen nicht unähnlich – führt vor, wie Schnitte Beziehungen knüpfen, wie Schnitte die Zweidimensionalität der Leinwand räumlich werden lassen. Schnitte, die in einem Film den Blick von der einen Person auf die andere richten, machen eine besondere Beziehung zwischen den beiden sichtbar, sie verbinden das Paar miteinander. Schnitte, welche die Grenzen eines Raums cutten, machen diesen nicht nur grösser, sondern vor allem weiter, er geht über sich hinaus. Das sind wunderschöne Bilder dafür, worum es in einer Psychoanalyse geht und für den Wunsch, der sie antreibt, der immer einer ist, bei dem es nicht einfach darum geht, dass er bei sich ankommt, der vielmehr immer über sich hinaus geht.
Der italienische Künstler Lucio Fontana hat dies – vielleicht durchaus parallel zur Entstehung des Films – auf der weissen Leinwand vorgeführt. Er hat sie nicht bemalt, sondern ihr Schnitte zugefügt. Und damit wurde sie dreidimensional und räumlich.
Johannes Binotto musste also mit von der Partie bei dieser Veranstaltung sein, da er passionierter Filmwissenschaftler, aber mit seinem Blick auf diese Phänomene gleichzeitig passionierter Psychoanalytiker ist. Auch wenn er selbst – durchaus spielerisch, durchaus kokett – immer wieder darauf hinweist, dass er nicht Psychoanalytiker sei, so erweist er in seinem Denken genau das Gegenteil, weist darauf hin, dass die Beschäftigung mit dem Film – und damit mit der Kunst – nicht einfach Angewandte Psychoanalyse ist, man vielmehr umgekehrt ebenso sagen könnte, dass die Psychoanalyse angewandte Kunst ist. Freud hat nicht von ungefähr die zentralen Begrifflichkeiten und Theorien der Kunst – und da eben nicht nur der Literatur – entnommen und sie weitergetrieben.
Der Gemeinsamkeit der künstlerischen und der analytischen Praxis geht Binotto mit seinen Film-Essays nach, in denen aus alten Filmen «neue Videos und aus fremden Material intime Äusserungen gemacht werden». Assoziativ nimmt er Blicke und Erzählungen auf, schneidet sie auseinander und setzt sie neu zusammen, spielt sie «als umgedrehte Botschaft wieder ab».
Weiterbildung ist eine Bildung und als psychoanalytische immer eine, bei der die Frage der Zugehörigkeit als eine der Zunft im Focus zu stehen droht. Es liegt in der Natur der Sache, dass es dabei zu Differenzen, zu Dissonanzen kommt, welche die Institution fordern. Als Herausforderung für die Institution kann sie zur Chance für die Sache und ihre Weiterentwicklung werden. Man kann sie aber auch zum Anlass machen, die Sache festzuzurren und auf Linie zu bringen. Dann wird es mit der Umkehrung schwierig. Dies sollte Thema eines Panels sein, das sich der Frage widmete, welchem Verständnis von Psychoanalyse die basisdemokratische Organisationsform, die dem Psychoanalytischen Seminar Zürich bislang – ganz unabhängig davon, auf welches Datum man seine Gründung legen möchte – eigen war, entspricht und worum es bei ihrer Abschaffung gehen dürfte. Eines – so könnte man sagen – zeigte die Diskussion deutlich, dass es darum geht, im Gespräch zu bleiben, dass es darum geht, die Sache im Gespräch und im Austausch zu lassen. Aber, wie wir wissen, ist das nicht immer einfach, da beim Austausch – und das schliesst den Ernst und die Leidenschaft der Positionierungen nicht aus, ganz im Gegenteil – das Spielerische unabdingbar ist, das durch Endgültigkeit und Absolutheit von Lösungen vielleicht mehr strapaziert wird als durch äussere Anforderungen. Ebenso unabdingbar aber ist es, die Probleme und Schwierigkeiten offen an- und aussprechen zu können – ganz offensichtlich keine einfache Sache.
Der Ekel ist ein Affekt, in dem Assoziationen und Dissoziationen miteinander verbunden und geschnitten sind. Unübersehbar ist Ekel abstossend. Sehr eng mit dem Geruch verbunden, will man mit dem, was man da Übles und Unerträgliches riecht, nichts zu tun haben, weist und schiebt es weit von sich weg. Die Distanz, die man zum Objekt – das dann gerne Ab-jekt genannt wird – schaffen will, ist Distanz zu etwas, das einem nicht nur fremd, sondern vertraut und zugehörig ist. So sind die Extremente als Inbegriff dessen, was Ekel auslösen kann, ja Teil von uns, nicht zuletzt Teil und Verarbeitung dessen, was man sehr gerne gehabt hat. Das bezieht sich nicht nur darauf, dass die Ausscheidung eine von etwas ist, das man gegessen und in der Regel genossen hat. Kinder können so noch einen ganz anderen Bezug zu Exkrementen haben, sich davor nicht ekeln, diese anfassen, untersuchen, sie in den Mund nehmen und probieren wollen. Sie zeigen eine Lust, die Freud zu den Partialtrieben und zur polymorph-perversen Anlage des Menschen zählt, weshalb diese durchaus als lustvolle Form von Sexualität wieder auftauchen kann. Insa Härtel ging diesen Fragen anhand von Serien über Messis nach, denen der Unrat, der Schmutz, der Gestank und die Verwesung sehr nahe, körperlich nahe ist. Sie sind von ihm umgeben, sind auch taktil, hautnah mit ihm verbunden.
Das Schema solcher Serien bedient nicht nur – das zeigte Insa Härtel sehr schön – den Wunsch nach Säuberung von all dem Dreck, auch wenn sich die Story genau darum zu drehen scheint. Vielmehr dreht sich diese Perspektive auch um. Denn insgeheim wird ja bei all dem, was so extensiv vorgeführt wird – natürlich in Schutzanzügen und mit den gebotenen Lauten der Abscheu – ebenso extensiv genossen. Der Zuschauer hat Teilhabe an dem, was man sich selbst nicht erlaubt, einem jedoch nicht so fremd ist und in diesen Inszenierungen näherkommen kann.
Ekel erweist sich demnach als ganz und gar nicht eindeutiger Affekt, er trägt in sich immer noch was anderes, etwas Verborgenes. Darin ist er dem Unheimlichen nicht unähnlich, das ja in ähnlicher Weise das Vertraute und Erschreckende des Heimeligen vereint. Und vielleicht sind das Hinweise darauf, dass Begriffe ebenfalls nicht so eindeutig sind, im Spannungsfeld von Assoziationen und Dissoziationen vielmehr als Menge ihrer Abweichungen verstanden werden könnten.
Mit dem Unheimlichen sind wir bei E.T.A. Hoffmann und seiner Geschichte Der Sandmann, in dem sich in der Puppe Olympia dieses Unheimliche als Automat verdichtet. Veronica Defièbre und Volker Hartmann haben in einem Enactment zu Ramsteins Puppe diesen Song der Gruppe Ramstein in Szene gesetzt, einer Gruppe, die ja ohnehin mit den Bedeutungen spielt und es liebt Bekanntes stark verfremden und umgekehrt scheinbar Fremdes so nahe zu bringen, dass es schon gruselig werden kann. Ein solches Enactment ist natürlich Theater und es war grosses, man könnte auch sagen: rauschhaftes Theater, in dem die sehr gegensätzlichen Seiten der Hingabe miteinander gefeiert wurden. Da klang schon etwas an, was später aufgenommen wurde.
Dissoziationen können sich ebenso umkehren. Sie gelten ja gemeinhin als Ausdruck unverarbeiteter Konflikte und Erfahrungen, werden psychopathologisch vermerkt und katalogisiert. Husam Suliman – er macht das sehr gerne – stellt in seinem Beitrag die Dinge auf den Kopf. Ketamin – das Thema seines und Oliver Boschs Beitrag – produziert, so könnte man sagen, solche Dissoziationen, produziert Pathologie, insofern man Kohärenz als Massstab menschlichen Funktionierens, nicht zuletzt von Gesundheit, definiert. Diese – möglicherweise biochemisch bestimmte – Funktion des Ketamins kann solche Fixierungen entkoppeln, welche die Dinge nicht mehr weitergehen, sich weiterentwickeln lassen. Darin wäre Ketamin nicht unähnlich dem, was vom analytischen Prozess erhofft wird, nämlich Auflassung von Verknüpfungen, von denen nicht mehr loszukommen ist. Freud sprach da im Kontext der Hysterie von «falschen Verknüpfungen», zu denen freilich ergänzt werden muss, dass sich aus diesem «falsch» kein «richtig», keine «richtige Verknüpfung» ergibt – wie man gerne geneigt ist, diese Formulierung zu lesen. Die Auflassung der «falschen Verknüpfung» meint vor allem dies: dass es andere geben kann, von denen damit nicht gesagt werden kann, dass sie «richtig» wären. Sie sind anders und setzen damit die Möglichkeit frei, dass die Dinge wieder in Fluss kommen können. So könnte Ketamin psychoanalytisch werden…
Mit dem Begriff der Klasse sind wir wieder bei der Dimension, in welcher Assoziation schon vor der Psychoanalyse gestanden ist: der politischen. Die Klasse ist bei Marx der Begriff, der die Illusion der Einheit einer Gesellschaft radikal in Frage stellt. Eine solche, postulierte Einheit unterdrückt die Differenzen, die zur Gesellschaft gehören und sie ausmachen. Nicht unähnlich wie der Begriff einer Einheit des Selbst oder des Ich die Partialität des psychischen Apparats, sein Funktionieren als ein konflikthaftes unterschlägt. Regula Flury von der Zeitschrift Der Widerspruch ging der Frage nach, wo der Begriff der Klasse in der Linken geblieben ist. Sie wollte es aber genau und konkret von den Teilnehmenden wissen. Jede/jeder war gefragt: Wie sieht es in Deiner Praxis aus, wo stellt sich die Frage solcher Differenzen, wie sie die Klasse meint. Gibt es sie nicht mehr oder will man nichts von ihnen wissen? Spielerisch mit bunten Stiften ging man dem nach und war erstaunt, wie sich plötzlich neue Perspektiven öffneten auf das, was wir tun und wie wir es tun.
«Über Nacht ist die Welt reif geworden; ein zarter, weißer Schimmel ist auf ihr gewachsen – Frühlingsschnee. Auf den Dächern gibt’s keine Spuren von Füßen und Rädern; dort oben ist die Welt jenseits der Angst. Hier unten zählen Menschen ihre Schritte, passen Stimmen sich den Stimmen an; es gibt aber Menschen, die sich nicht an das Hiersein gewöhnen können.» Adelheid Duvanel ist eine Meisterin der kleinen sprachlichen Form mit einer Sprache von radikal poetischer Kraft. Heini Bader las Stellen aus ihrem Buch Fern von hier vor, erschienen im Limmat-Verlag. Es war atemberaubend, wie sich im scheinbar Bekannten andere Welten auftaten.
Und dann – Stichwort: Andere Welten – war Martin Merki bei uns zu Gast, man könnte auch sagen: Wir waren bei ihm zu Gast. Denn er kam medial zu uns – in doppelter Hinsicht. Sein Beitrag würde über ein Video eingespielt, zudem über eines, in dem man ihn nur hören, ihn erzählen hören konnte. Und das war schon mittendrin. Denn genau darum ging es ihm in seiner Erzählung, die Geschichte, die Forschung eines medialen Phänomens ist. Im 16. Jahrhundert nahm Verena Leisibach – Seelenmutter wurde sie genannt – in ekstatischen Zuständen ritueller Verzückung Kontakt zu den Toten auf, von denen ihre Klientinnen und Klienten immer wieder zu ihrem Leidwesen heimgesucht wurden. Die Seelenmutter wollte von den toten Seelen erfahren, wie man ihnen in ihrer Unruhe beistehen, wie man Unerledigtes aufheben könne. So wurden die Irdischen aufgerufen, Opfer zu geben, Gutes denen zu tun und zu schenken, die bedürftig und am Rande positioniert sind: Essen und andere Gaben zu verteilen, Heim und Heimat zu geben, wurden zu Aufgaben für diejenigen, die es vermochten.
Der Sinn solcher Kontaktaufnahme mit einem Jenseits war demnach ein sehr diesseitiger und sozialer: nämlich die Besserstellung von Benachteiligten. Die Verbindung zu dieser dissoziierten Welt wurde zum politischen Akt. Die Stimme aus dem Off gemahnte an eine Bestimmung, die uns aufgegeben ist. Die Helferei Grossmünster wurde so zur prädestinierten Bühne als Ort, an dem die von der Kirche verfolgten Hexen ihre Wiederkehr feierten.
In ein Medium anderer, ganz moderner, digitaler Art entführte uns dann Volker Hartmann mit dem Speedrunning. Da lebte Super-Mario wieder auf, aufgepäppelt durch inzwischen weitaus bessere Technik, phantastischer Grafik, durch rasend schnelle Bilder und Läufe. Mit der explosiv verbesserten Technik – wen wundert’s – wurde auch er, unser Super-Mario, viel besser und wendiger. Ohnehin geht es in diesem Rennen – das ist im Sport nicht anders – ums Runden drehen und ums dabei immer noch schneller werden. Super-Mario führte uns – in Gestalt von Volker Hartmann – vor, dass Schnelligkeit mit Sprüngen zu tun hat, mit Sprüngen, die Ab- und Übersprünge und erst recht Abweichungen sind. Der wirkliche Speed resultiert nämlich aus neuen Konstruktionen, Programmierungen, mit denen man die Regeln des Spiels aushebeln kann. Super-Mario nimmt so Abkürzungen, die nicht vorgesehen, jetzt aber möglich sind. Mit solchen Läufen und Sprüngen, die vom üblichen, vom richtigen und guten Weg abweichen – Dissoziationen – kann man eine weitere Herausstellung erreichen, nämlich zum Sieger werden – und sich dann mit der Königstochter, die ja immer den ersehnten Preis darstellt, zusammentun, assoziieren. Wunderbar, es gab viel zu staunen, viel zu lachen.
Margarete Jüngling und Luc Haefliger, Preisträgerpaar von Link 2 Future, setzten ebenfalls eine Zwischenwelt in Szene. Eine – die nicht unähnlich wie bei Martin Merki und seiner Seelenmutter –, um die Stimme und ihre Töne kreiste oder umgekehrt vorführte, wie die Stimme und ihre Töne, die Worte, um uns kreisen. in between: alpha’s echo führte vor, wie unsere Worte sich von uns ablösen, eine eigene Existenz entwickeln, nicht mehr Du und Ich sind, vielmehr dieses Du wie dieses Ich ständig verändern und eben: bestimmen. Aber diese Bestimmung ist wie der Klang, der im gotischen Saal der Helferei rundum ging und gotisch wurde, keine eindeutige, keine fixierende, sondern kommt immer wieder aus einer anderen Richtung, so wie Ton und Töne, Klang und Klänge um uns herum, wir in sie eingetaucht sind, in sie eingetaucht werden. Es war mucksmäuschenstill, der Raum ganz erfüllt.
Wenn es beim Enactment zu Ramsteins «Puppe» hiess, dass davon später etwas aufgenommen wurde, war damit gemeint, dass die Puppe am Schluss am Boden lag, um wieder aufgenommen zu werden. Damit war das Performative als Verkörperung von Geschichten gemeint. Der Körper wird zum Medium dessen, was uns um- und antreibt, zum Ort, an dem sich Hingabe bühnenreif manifestiert. Das besorgt die Hysterie auf grossartige Art und Weise – man konnte das schon bei Charcot sehen.
Als Konversionsneurose ist sie eine mediale Angelegenheit, bringt das Psychische und seine Geheimnisse, seine Rätsel, auf die Bühne. Mit aller Leidenschaft, unübersehbar, unüberhörbar, unausweichlich. Schon bei den Griechen war sie auf der Wanderschaft, auf der Suche nach dem, was man sich wünscht, hat dabei vor allem vorgeführt, dass dieser Wunsch kein Ende hat, dass er ein Wünschen ist, das nie ganz ankommt, immer noch mehr, immer wieder anderes will. Die Hysterie ist der Traum im wirklichen Leben, der ständig die Frage nach deren Verhältnis aufwirft: Wirklichkeit und Phantasie, Realität und Virtualität gehen nicht nur in der Entwicklung der digitalen Welt ineinander, sie sind miteinander verwoben, wie es Shakespeare schon auf die Bühne brachte, wenn er die Sommernacht als Traum verstand, als Gegenwärtigkeit einer anderen Welt in der gegebenen. Und wenn Freud die Hysterie ganz eng mit der Verdrängung verknüpfte, deutete er damit das an, was Elisabeth Bronfen so wunderschön auf den Punkt brachte: Die Hysterie macht aus nichts alles. Deswegen bleibt sie nicht stehen, schafft ständig neue Welten, verknüpft diese, dissoziiert und assoziiert. Das wurde an einem Panel zwischen Elisabeth Bronfen, Andre Richter und Olaf Knellessen vorgeführt, bei dem die Perspektiven der Literaturwissenschaftlerin, des Arztes und des Psychoanalytikers durcheinanderwirbelten. So soll es doch sein ….
Mit einem Trommelwirbel von Michael Barben, der alles andere als mucksmäuschenstill und immer knapp dran war, das Instrument zum Bersten zu bringen, kam es dann zur Preisverleihung.
Und hier können Sie die Laudatios lesen:
Laudatio zu Margareta Jüngling und Luc Haefliger von Husam Suliman (Link 2 Future) >>>
Laudatio zu Mona Freudenreich von Insa Härtel (Link 2 Future) >>>
Laudatio zu Mira Kaszta und Simon Reutlinger von Olaf Knellessen (The Missing Link) >>>
Mit diesem Video – das bereits fliegt – haben wir nicht nur zur Veranstaltung, sondern im Vorfeld dazu zum Austausch über dieses nicht nur psychoanalytische Thema eingeladen. Daraus ist ein Blog entstanden, den Sie hier überfliegen oder auch in ihn eintauchen und weiter an ihm teilnehmen können:
Eine Arbeit der Künstlergruppe Hochhinaus auf dem Holzdeck der Badeanstalt Enge am Züri-See stellt das Spiel von Zerteilen, Zerschneiden und Neu-Zusammenfügen auf poetische Art dar:
Was ist denn das? Man staunt, man schmunzelt und lacht, geht drum herum, will es von allen Seiten, immer wieder neue Blicke – diese faszinierende Vielfalt auf kleiner Fläche. Ausgangspunkt war ein Balken mit den Massen 80x80x1504cm. Das Künstlerinnenkollektiv hochhinaus hat ihn – die Proportionen wahrend – verkleinert, zerteilt und ihn so auf 37449 Hölzer und Hölzchen mutlipliziert, und sie auf der Liegeterrasse der Badeanstalt Utoquai direkt über dem Zürisee verteilt und verstreut, hat Statik in Bewegung verwandelt – die Hölzchen fallen locker wie bei einem Mikadospiel – und ihnen so auf eine beglückende Art und Weise Spielraum und Freiheit geschenkt, dass sogar die Sonne in der Novemberkälte zu lachen begann.
Die Skulptur bestand aus folgenden Vierkanthölzern und -hölzchen, welche in jeder Grösse immer die gleiche Masse ergaben (alle Dimensionen in mm):
1 Balken: 80×80 Länge: 1504
8 Balken: 40×40
Länge 752
64 Hölzer; 20×20
Länge 376
512 Hölzchen:
10×10 Länge 188
4096 Hölzchen:
5×5 Länge 94
32768 Hölchen:
2,5×2.5 Länge 47
Insgesamt 37449 Hölzer und Hölzchen. Immer jeweils halbiert und gevierteilt, d.h. achtmal mehr Hölzer vom nächst kleineren, bei gleicher Masse.
Website von Hochhinaus:
Und hier ist unser Blog
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Ziel dieses Blogs ist es, Gedanken und Anregungen zum Thema unserer Veranstaltung zu versammeln und eine offene und faire Diskussion zu den dabei angeschnittenen Fragen anzuregen, in der die Meinung anderer respektiert wird und so die Diskussion wichtiger Fragen weiter getrieben werden soll.
Margaretha Jüngling / Luc Haefliger – Laudatio
«Ich starre in mein Abbild im Bildschirm vor mir, berühre diese Oberfläche, fühle wie leicht sie nachgibt – nicht fest, nicht flüssig – und sich wie eine zweite Haut über die meine, die Haut meines Abbilds legt…
Ich beisse in einen Apfel. Ich schmecke das süsslich-säuerliche des Apfels. Doch meine Zähne stossen nach dem festen, saftigen Fleisch auf einen mir unbekannten Kern. Ich schmecke Brot. Es fühlt sich luftig an. Ich höre sich aufbäumende Klänge, die just vor ihrem Höhepunkt in Rauschen zergehen. Stille.
Hört mein Abbild sie auch? Schmeckt es, was ich schmecke? Was schmecke ich? Wessen Haut berühre ich, wenn ich den Bildschirm berühre? Was höre ich? Wo endet meine Membran, die Kontaktfläche zu meiner Aussenwelt und wie stehe ich in Beziehung zu dem, was ich gerade betrachte?»
Die Haut ist die Grenze oder ist sie der Kern? Und der Kern ist luftig und löst sich im Rauschen der Klänge auf. Wie laut ist dann die Stille? Das Visuelle wird taktil, geht über ins Schmecken und wird zum Klang. Das eine wird zum andern – Metamorphosen.
Von solchen Metamorphosen erzählen die wunderschönen Bilder. Sie scheinen sich zu bewegen, wenn man sie längere Zeit anschaut, ihre Elemente sind manchmal scharf konturiert, manchmal amorph, auf jeden Fall vielschichtig, sie könnten immer noch was anderes sein, sie gehen ineinander über, das macht die Bewegung aus, diese Verwandlung, die dann nicht nur eine des Bildes ist, sondern zu einer des Betrachters wird.
Metamorphosen sind Poesie und damit Anmut, aber auch Schrecken. Metamorphosen bewegen die Grenzen, lassen sie zerfliessen, sie sind Fragezeichen in Bezug auf die Grenzen und die Ganzheiten, die sie umschliessen, schützen wollen.
Wenn man isst, wird man anders. Wenn man hört, wird man anders. Man trinkt die Mutter und wird zu ihr, die Milch bekommt dann eine Haut, zu der wir werden. Ist es die, von welcher am Anfang gesprochen wurde? Wenn man isst, isst man nicht nur Esswaren, man isst den anderen, man wird zu ihm, die Esswaren werden zu einem selbst, sie vermischen und vermengen sich im Mund mit uns. Metamorphosen.
Und wie ist es mit dem Abbild auf dem Bildschirm vor mir? Es wirft sein Licht auf uns. Es ist eine unvergessliche Szene, wie vor Jahren ein junges Mädchen in einem langen Kapuzenmantel den langen Gang eines Hotels auf uns zulief. Sie war versunken in ihrem Handy und ihr Gesicht erstrahlte vom Licht des Bildschirms in der Dunkelheit des Abends und der Kapuze – beinahe madonnenhaft. Der Glanz im Auge der Mutter war da zum Glanz des Bildschirms geworden. Ist das schlimm, ein Untergang des Abendlandes, der Kultur? Eine Metamorphose.
Wie ist es mit diesem Glanz im Auge der Mutter – dem grossen Topos der Psychoanalyse? Ist er im Auge der Mutter, ist er in mir? Er ist in mir – Lacan erzählt davon im Spiegelstadium. Und ich werde zu ihm. Und wenn ich zu ihm werde, wie ist es dann mit der Mutter, mit meinem Glanz. Wird sie auch zu ihm? Und wie ist es dann mit dem Glanz, der sie schon war, der vielleicht auch schon ich gewesen bin? Wie ist es mit diesem Abbild, das unsere Empfindungen mitbestimmt. Empfindet es wie wir, empfinden wir wie es? Wie getrennt ist es von uns, wenn wir so verbunden sind? Hört das Spiegelbild den jubelnden Aufschrei des kleinen Kindes vor ihm und was passiert dann mit ihm? Schreit es auch?
Das sind doch spannende Fragen, die sich da stellen, denen Margaretha Jüngling und Luc Haefliger in ihrer Arbeit I’m the hair in your soup (Let’s be together for ever) nachgehen.
Es geht um das Haar in der Suppe, das immer da ist, das gerade kein Fehler der Köchin ist – muss man in diesem Kontext ergänzen. Das Haar in der Suppe ist der Glanz, ist das Fremde, ist auch der Aufschrei. Und dieser Schrei ist ebenfalls das Fremde. Er kommt einfach aus uns heraus, ohne dass wir wissen, woher und warum er kommt. Er schreit einfach.
Dieses Haar ist die Störung im Verhältnis, dieses Haar ist das, was nicht aufgeht. Was nicht aufgehen kann und darf, weil: Wie sonst könnte es etwas bewirken, wenn es aufgehen würde? Dann gäbe es keinen Unterschied, dann wäre es gleich. Und mit diesem Haar, das Störung ist, Störung in jeder Hinsicht, kommt es zur Beziehung: Let’s be together for ever! Das reimt sich sogar, das geht sogar auf, aber wird ja ein Haar in der Suppe bleiben, ein Stachel im Fleisch. Wer wünscht es sich nicht, diesen Glanz im Auge der Mutter, dieses Strahlen im Gesicht – auch wenn er vom Bildschirm kommt. Vielleicht bleiben wir deshalb so lange vor ihm, wegen dieses Glanzes. Und wer verflucht es nicht, dieses Haar in der Suppe der Geliebten? Wer verflucht es nicht, weil es ja immer Störung ist, weil es uns nicht mehr alleine lässt, diese Beziehung, die Störung, die glücksbringende ebenso wie unglücksbringende Störung ist. Let’s be together for ever!
Beim Projekt geht es nicht zuletzt ums Essen, um das, was man sich einverleibt, um das, was man sich mit allen dazugehörenden Verbindungen einverleibt, mit den Düften, mit den Geschmäcken, mit den Bildern, den Geräuschen und den Stimmen. Und natürlich mit den anderen, mit denen man isst, mit denen man zusammen ist, sie sind Teil dieses Essens, sie werden mitgegessen und zum Genuss, was ja der Begriff des Gastmahls schon erzählt, das ja nicht nur ein Mahl mit Gästen, sondern auch eines der Gäste ist. Und ebenso – das ist nicht anders als beim Glanz im Auge wessen auch immer – wird man selbst mitgegessen, wird gekostet, wird verspeist und genossen mit allem Drum und Dran. Was für eine Freude!
Bei diesem Essen, dieser ORAL, AURAL-PERFORMANCE )OAP) wird auch die Musik zum Essen, wird das Essen zum Klang, nicht nur des Bestecks, sondern der Düfte und Gerüche, der Geschmäcke und der Stoffe. Auch bei der Musik ist es so, dass sie nicht einfach ausserhalb von uns ist, sie ist immer schon in uns. Wir sind schon in ihr, so wie sie in uns ist. Theodor Adorno hat das ebenfalls als Performance vorgeführt: Bei seinen Auftritten hat er seinen Hut auf- und abgezogen, indem er eine grosse, kreisende Bewegung mit diesem um seinen Kopf beschrieb. Damit hat er nicht nur den Raum umfahren, in den er selbst ausgreift, den er mit seinem Auftritt klingen lässt, er hat damit den Raum der Geräusche, der Klänge, der Musik umschrieben, in die wir immer schon eingetaucht sind, die uns umgeben, die um uns und in uns sind, diese Klänge, diese Stimmen, diese Geräusche, die diese Musik machen, die diese Musik sind. Adorno hat den Hut vor ihnen gezogen, als etwas das ebenso immer schon da war wie das Essen, diese Einverleibung. Essen und Musik, ORAL und AURAL, beides beschreibt dieses Ineinander und Durcheinander des Ungetrennten.
OAP ist ein Projekt, bei dem sich die verschiedenen Ebenen – die gar nicht anders können als über die beiden involvierten Sinne und Sinnlichkeiten von Essen und Hören, von oral und aural hinauszugehen – überlappen, sich gegenseitig verändern, sich immer wieder auflösen und dabei neu konstellieren. Kann man Musik essen? Können Gerichte Geräusche von sich geben, können sie klingen? So produziert das Ineinander der Sinnlichkeiten nicht nur neue und andere Sinnes-Qualitäten, viel pointierter noch die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Störung als den Motor des Austauschs.
Zum Moodboard gehören Flecken und Aus-Schnitte. Beide markieren das, was wir als Störung verstehen. Flecken sind Ärgernisse, die wegsollen, um die Reinheit, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Ausschnitte sind eben Schnitte, sind Teile. Aber sind sie Schnitte in einem Ganzen, Teile einer Einheit? Oder ist es vielleicht nicht umgekehrt so, dass sie als Schnitte und Teile immer schon über sich hinausgehen. Mehr intendieren, ein Mehr, das man dann als das Suchen einer Ganzheit, einer Einheit zu verstehen beginnt, bei dem aber eigentlich klar ist und sein muss, dass es diese Ganzheit und diese Einheit nicht gibt, da dieses Mehr immer weiter über sich hinausgeht, immer weiter ein Teil bleibt.
Das Projekt von Jüngling/Haefliger buchstabiert die Mär der Individualität und der Bedeutung der Grenzen des Subjekts zurück, geht mit dem Essen und der Oralität zu den Grundlagen. Essen ist Grundlage. Essen ist Einverleibung. Einverleibung ist Grundlage, ist Überschreitung, Übertretung von Grenzen. Was ist innen, was ist aussen? Das lässt sich so genau nicht mehr sagen, das vermischt sich im Mundraum. Und so ist es mit dem Klang, so ist es mit der Musik. Ist sie drinnen oder ist sie draussen?
Diese Infragestellung des Individuellen und des Autonomen ist genau dieses: Anerkennung des anderen, des Haares in der Suppe und damit Anerkennung der Interdisziplinarität, des Austauschs zwischen den Bereichen. Die Arbeit ist ein Plädoyer für Offenheit, dafür, dass die Haut eine durchlässige ist, dass sie eine ist, an deren Grenzen sich die Dynamik des Austauschs und der Verbindungen abspielt. Die Anziehung und die Abstossung, die Frage, was gehört zu mir, was bin ganz sicher nicht ich, die Frage des Ekels und seiner Faszination lassen uns nicht los. So wenig wie der Ekel. Er hat uns in seinen Bann gezogen – davon haben wir schon gehört. Das, was uns so gewaltig abstösst, das, mit dem wir gar nichts zu tun haben wollen, zieht uns gleichzeitig an, ist Teil von uns.
Das ist Interdisziplinarität, das ist der missing link. Let’s be together for ever!
Mona Freudenreich – Laudatio
Das erste Video beginnt traumhaft – mit einer Szenerie, in der sich etwas abzuzeichnen, aber auch aufzulösen scheint. Es beginnt mit einem sich ausweitenden Grau, in dem sich doch – stimmt das oder stimmt es nicht? – etwas zu bewegen scheint, in dem sich Konturen abheben, aber auch wieder verlieren. Das Video versetzt uns in eine andere Welt, in der dieses Grau sich zu bewegen, in der dieses Grau zu erzählen beginnt.
So heisst es in der Bewerbung, die Mona Freudenreich uns geschickt hat:
Während ich schlafe, bin ich wach.
Im Dunkel der Schatten zeichnen sich Gestalten ab.
Was sind es für Gestalten, die sich da bewegen? Schemenhaft zeichnet sich etwas ab, Vierbeiner scheinen es zu sein, Tiere also, aber was für welche und wie ist es mit ihrer Grösse, das lässt sich nicht ab-, das lässt sich nicht einschätzen. Dann ein Schnitt, ein Wechsel in eine andere Szenerie, in ein anderes Grau. Auch dieses sehr traumhaft, es zeigt ein Mädchen, in weissem, in grauem Kleid, es zeigt vor allem ein Sehen, das hinter einem Schleier liegt, hinter dem Vorhang ihrer langen Haare, hinter den Händen, die sie vors Gesicht hält. So geht es bei diesem Schnitt auch um eine Verbindung verschiedener Welten, um eine Verbindung zwischen drinnen und draussen, zwischen hell und dunkel. Das wird zauberhaft deutlich, wenn durch dieses Dunkel der Nacht ganz hell ein Falter flattert. Aber dieses Helle ist nicht nur ein Falter, dieses Helle ist der Traum, dieses Sehen mit geschlossenen Augen, dieses Sehen in der Nacht, durch die ganz andere Bilder schemenhaft ziehen, die sehr hell sein können, aber an uns vorbeiziehen, fast unbemerkt – so wie wir den Traum auch immer wieder vergessen, wenn wir aufgewacht und im Tag sind. Dann scheinen die Schemen, die so vieldeutig und immer anders sein können, wieder Dinge, wieder eindeutig zu sein – aber es bleibt ein Ahnen dessen, dass dies nicht einfach so ist. Nicht nur die Falter leuchten so hell in der Nacht, auch die Augen leuchten so hell – so als ob sie etwas ganz Anderes sehen würden, das uns auch blenden kann mit seiner Intensität. Dieses Blenden ist nicht das der Sonne am Tag – wie es Abraham beschrieben hat, wenn Psychotiker in die Sonne schauen, ohne dass sie Angst haben, blind zu werden –, sondern es ist die der Nacht, es sind die Bilder der Nacht, die uns blenden, die uns blind machen, uns etwas anderes sehen lassen als wir es am Tag sehen. Und Freud hat ja auch gesagt, dass der Traum unsere Privatpsychose sei.
Nachtschatten – auch dieser Titel ist solche Verbindung, auch dieser Titel erzählt schon. Er erzählt davon, dass es in der Nacht Licht geben muss, sonst gäbe es keine Schatten. Nachtschatten – und da ist gleich schon offen, um welchen Numerus es sich da handelt. Ganz offensichtlich ist es nicht die Einzahl, auch dann nicht, wenn es sich um singuläre, man könnte sagen: einzigartige Bilder und Eindrücke handelt. Es sind ja zwei Videos und wenn man sich die Website der Künstlerin anschaut, dann kann man vermuten, dass es nicht nur zwei, sondern viele sind. Bei aller Singularität haben wir es mit dem Plural zu tun. Und so geht es vielleicht nicht nur um das Verhältnis von Tag und Nacht, es scheint ja mindestens noch ein anderes mit im Spiel zu sein, wenn diese hell leuchtenden Augen, diese in der Nacht leuchtenden Augen, die ja ein anderes Sehen markieren, uns bei dem Mädchen ebenso anschauen wie bei den Pferden, dann auch bei den Hasen. Da sind nicht nur Nacht und Tag miteinander verbunden, sondern auch die Tiere und die Menschen – ganz so wie wir es von den Mischwesen der Mythologie her kennen, diesen Chimären – wir kennen die Zentauren, die als Sternbild ebenfalls in der Nacht leuchten, so wie die Augen des Mädchens und die der Pferde, als wildes und lüsternes Volk.
Picasso und auch Dürrenmatt haben von einem anderen Mischwesen erzählt – dem Minotaurus mit menschlichem Körper und einem Stierkopf. Es erinnert uns daran, dass dieses Haupt, das wir tragen, nicht nur eines des Verstands und der Vernunft ist, sondern ein Schicksal darstellt, das Freud nicht von ungefähr als Triebschicksal beschrieben hat.
Und dieses ist sehr eng mit der Figur eines weiteren Mischwesens verbunden, der Sphinx, die über die Stadt Theben herrschte und sie mit der Auflösung ihres Rätsels in Geiselhaft nahm. Wer es nicht lösen konnte, wurde gefressen. Ödipus erkannte, dass es sich bei dem Wesen, dass am Morgen vierfüssig, am Mittag zweifüssig, am Abend aber dreifüssig ist, um den Menschen handelte, verkannte mit dieser Enträtselung gleichzeitig sein eigenes Rätsel, das ja bekannterweise darin bestand, dass er seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet hat. Dieses wurde ihm von Thereisias, dem blinden Seher, bedeutet. Dessen Blindheit bringt uns wieder zurück zu den Filmen von Mona Freudenreich – und wir wollen jetzt nicht unken, dass sie in ihrem Namen den Freud ja in sich trägt, diesen sogar noch im Plural.
Darüber hinaus bleibt es nicht bei der Auflösung der Grenzen zwischen Mensch und Tier. Wenn wir an Transsylvanien denken, wo diese Filme gedreht wurden, dann ist auch die Grenze zwischen Mensch und Pflanze mit im Spiel und dort weiter die Welt der Vampire, als diese Untoten, die in unserem Leben herumgeistern und ihrerseits das Leben mit dem Tod vermischen.
Und wenn dann das Mädchen rückwärts die Treppe hinaufkommt, dann wird hier auf geheimnisvolle Art vorgeführt, was durch diese Nachtschatten zieht. Denn natürlich wird da der Film rückwärtslaufen gelassen – das ist ja klar. Aber es geht eben gerade nicht um diese Klarheit. Es geht ganz offensichtlich um eine Umkehrung, um die Umkehrung von Klarheit, um das, was rückwärts ist, um das, was uns im Rücken ist, um das, was wir nicht sehen. Das ist es doch, was uns hier vorgeführt wird in diesen traumhaften Videos. Sie zeigen uns etwas, was wir sonst eben nicht sehen, weil es nicht vor uns liegt, weil es nicht im Tag liegt, sondern weil es in unserem Rücken sich abspielt, im Rücken dessen, was wir sehen, im Rücken unseres Bewusstseins. Dort – das zeigen uns die Filme – irrlichtert es, dort leuchtet die Blindheit, sie zeigen uns nicht nur eine traumhafte Welt – Transsylvanien – sie zeigen uns den Traum, als einen, in dem es um das Sehen der Nacht, um das Sehen der Blindheit geht – woran uns schon Thereisias erinnert hat.
Mona Freudenreichs Nachtaufnahmen der transsilvanischen Wildnis erinnern an schwarz-weiss-grau-Aquarelle, welche allmählich zur Lebendigkeit erwachen. Hinter einem Nebel liegende Traumbilder, ganz sanft in Bewegung geratend, lebendig werdend und dem Auge, welches zunächst versucht zu erkennen, Struktur zu fassen und in dem Traumbild etwas Halt Gebendes auszumachen, plötzlich Formen gibt und somit den Betrachter beruhigt – aber zugleich auch unheimlich ist. Die Künstlerin inzidiert das Unheimliche dann auch mit jähren Unterbrüchen der nächtlichen Landschaft, indem wir die Künstlerin selbst plötzlich im Inneren eines Hauses sehen, entweder ihr Gesicht verdeckend oder rückwärts eine Treppe hinauflaufend. Es liegt nahe, dass das Innere und das Äussere ein und dasselbe sind, zueinander gehören. In den Darstellungen erkennen wir das daran, dass sich die nächtlichen Augen der Tiere, welche hell leuchten mit den Augen der Künstlerin überblenden. Der Blick verbindet somit das Innen mit dem Aussen und zeigt auf wie der Ursprung des Unheimlichen im Heimlichen, also in uns selber liegt. Was der Blick versucht zu Beginn des Videos zu erfassen, ist nicht da Draussen, ergo ist die Beruhigung keine echte, sondern liegt im Inneren – dort aber nicht offensichtlich erkennbar, denn der Blick ist verdeckt, oder es stellt sich eine Rückansicht dar, mit Rückwärtsbewegungen und entzieht sich somit der offensichtlichen Zugänglichkeit. Die Art und Weise, wie die Künstlerin in ihren kurzen Videos das Unheimliche behandelt und nur durch ihre Bilder deren Entität auszudrücken vermag, ist sehr gelungen, zumal es schwerfällt, den Blick von den Bildern abzuwenden. Sie bannen den Blick des Betrachters, bis der Blick der Tiere und auch der Künstlerin den Blick des Betrachters trifft und auch dort wieder den Verweis von Aussen und Innen herstellt. Beruhigend und verstörend zugleich, traumhaft beginnt das Grau zu strahlen und zu leuchten, der Traum glüht förmlich und schaut uns wiederum an. Somit kommt der paradoxe Begriff des Nachtschattens zu seiner Bedeutung, denn es strahlt von Innen heraus, aus dem Unheimlichen, das in uns selbst liegt. Unsere Träume verweisen auch immer wieder auf das Unheimliche und auch hier lasst sich ein Bezug herstellen, nämlich zu den Nachtschattengewächsen, wobei es sich bei den Träumen ja genau auch um ebensolche handelt.
Nachtschatten: Diese Poesie des Wortes hat Mona Freudenreich berückend in eine Poesie der Bilder übersetzt. Wir bedanken uns sehr dafür.
Kaszka & Reutlinger – Laudatio
Mira Kaszka und Simon Reutlinger begannen vor 10 Jahren sich im Rahmen eines Seminars Erzählanalysen von Tilman Habermas im übergeordneten Kontext von Identitätsentwicklung mit der Intersexualität zu beschäftigen. Man könnte sagen aus Neugier, schreiben sie doch, dass sie bis dahin mit diesem Thema nicht in Berührung gekommen seien. Sie wollten in diesem Projekt «dem Selbstverständnis intergeschlechtlicher Menschen näher kommen, indem (sie sich) mit ihren Lebensgeschichten befassten» (. S.9). «Da diese Untersuchung» – schreiben sie weiter – «mehr Fragen aufwarf als klärte, haben wir diese Forschungsarbeit geschrieben».
Wenn unsere beiden Preisträger*innen – und wir stossen hier bei dieser Gender-Schreibweise bereits auf eine weitere Frage, nämlich auf die, wie es denn ist, wenn es nicht einfach nur zwei, sondern mehr Geschlechter und Geschlechtlichkeiten gibt, wie man die dann nominativ erfassen könnte – davon ausgingen, dass sich Fragen aufwarfen und nicht klärten, dann ist das ein explizit psychoanalytischer Ansatz. Psychoanalyse dürfte doch – woran zu erinnern wohl nicht fehl am Platz sein dürfte – vor allem darin bestehen, Fragen nicht nur zu stellen, sondern den Fragen nachzugehen, die sich ohnehin immer stellen, und weiter darin, ihnen mehr nachzugehen, als sie abschliessend zu beantworten. Weiter hat die Psychoanalyse es genuin mit Sexualität zu tun und zwar mit einer, die sich in ihrem Scheitern zeigt. Da klappt etwas nicht, da geht etwas nicht auf und damit geht erst recht etwas auf, fängt eine Symptomatik an zu blühen, die – wie Freud zeigte – nicht einfach als Pathologie abzutun und damit zu heilen wäre –, die vielmehr Motor ist nicht nur von Symptomen, sondern von Träumen, nicht nur von Fehlleistungen, sondern unserer Leistungen überhaupt und bei denen nicht nur von den geringsten, sondern ebenso von den höchsten. Insofern ist der Ansatz dieses faszinierenden Projekts nicht nur ein explizit psychoanalytischer, sondern zudem einer, der engstens mit dem Gegenstand ihrer Untersuchung verwoben ist, mit dieser Intergeschlechtlichkeit, die ja vor allem eines ist: eine ungewisse, eine Fragenstellende, eine das Geschlecht und seine scheinbare Eindeutigkeit in Frage Stellende. Dass dabei auch die Lebensgeschichte nicht eine im Singular, sondern eine im Plural ist – und dies nicht nur, weil dabei die Geschichten mehrerer Menschen untersucht wurden –, ergibt sich nicht zufällig aus dieser Ungewissheit.
Und so könnte man hier gleich eine weitere Frage anschliessen, ob es bei dieser Intergeschlechtlichkeit wirklich nur um ein drittes Geschlecht, ob es nicht um mehr dritte Geschlechter geht und insofern es bei dem Sternchen * der Gender-Schreibweise weniger um das geht, was praedikativ dahinter kommt, sondern um die Stelle des Sternchen * selbst, um die Stelle des Dazwischen, um diese Leerstelle geht. Diese wäre dann nicht nur durch das Sternchen markiert, sondern wäre selbst ein Sternchen und zwar ein hell leuchtendes, das Fragen stellt: man könnte auch sagen: in der Tat ein missing link.
Diese Konstellation taucht wieder auf, wenn von den sechs Interviews, die Kaszka/Reutlinger für dieses Projekt gemacht haben, in dem Buch nur fünf enthalten sind, weil «eine Interviewpartner*in aus persönlichen Gründen ihr* Einverständnis für die Publikation zurückgezogen» hat. Da kommen sofort Fragen auf, das ist ja klar. Aber es sind solche, die nicht die vorhandenen fünf Interviews entwerten – ganz im Gegenteil –, vielmehr auf den Aspekt verweisen, dass es um diese Leerstelle und mit ihr immer weiter geht.
Das Projekt kann gar nicht anders als interdisziplinär zu sein. Medizin, Biologie, Recht, Soziologie und Sozialarbeit sind ebenso im Spiel wie die Kunst und natürlich die Psychoanalyse, die in diesem Geflecht wohltuend kein herausragender Knoten ist, sondern einer unter anderen. Das Projekt wurde von Beginn an begleitet durch die Zeichnungen von Anton Engel, die vielleicht weniger vorsprachliche Gedanken zu visualisieren versuchten, sondern den Zugang einer anderen Sprache markieren, die auf immer wieder auch witzig-humorvolle, deshalb nicht weniger eindrückliche Art und Weise etwas vor Augen führen, was man so nicht kennt, was man so noch nicht gesehen hat.
Das war ja – wie erwähnt – der Ausgangspunkt von Kaszka/Reutlinger: Diese Irritation eines Unbekannten und Fremden, das aus der gängigen Ordnung, aus den herrschenden Kategorien rausfällt. Üblicher Umgang damit war der Versuch, diesen bug zu fixen und eine – wie es immer so schön heisst – «gelungene Geschlechtsidentität» herzustellen. Nicht einfach die Eltern und nicht nur die Erziehung, die Sozialisation, sondern vor allem Ärzte als Experten und Wissende haben da immer wieder, und nicht selten willkürlich, Eindeutigkeiten hergestellt, die zu einem solchen Gelingen führen sollten. Was für Freud die Hysterikerinnen mit ihrem Scheitern des Primats der Genitalität waren, ist für das Verständnis des Geschlechts die Intergeschlechtlichkeit, dieses Dazwischen der Pole von Mann und Frau.
All diese Perspektiven nimmt das Projekt von Kaszka/Reutlinger in Angriff und wenn sie dabei über die von ihnen angezogenen psychoanalytischen Theorien, beispielsweise über die Verführungstheorie von Jean Laplanche hinausgehen, dann spricht das sehr für diese Arbeit und ihre Umsetzung.
Zentrales Element ihrer Methodik war das Bemühen, dieses Dazwischen sprechen zu lassen, Interviews mit Betroffenen zu machen. Die von ihnen übernommene Interviewform, das narrative Interview, ist zunächst stark von soziologischen, sozialwissenschaftlichen Kriterien bestimmt, bei denen es zunächst um Objektivität, Nüchternheit und Interpretationsferne geht, um möglichst grosse Vergleichbarkeit herstellen zu können. Das ist für eine psychoanalytische Arbeit bemerkenswert, gleichzeitig Teil eines interdisziplinären Diskurses, der ja seinerseits auf ein Dazwischen ausgerichtet ist und sich nicht einfach auf vorgegebene Verfahrensweisen verlassen kann.
So wurde diese auf Objektivierbarkeit ausgerichtete Methodik durch ein Zuhören ergänzt, dass die verschiedenen Ebenen der Gespräche aufzunehmen bemüht war – darin der gleichschwebenden Aufmerksamkeit nicht unähnlich, die Freud dem Analytiker anempfohlen hat. So wurde in der Transkription der Interviews grosser Wert daraufgelegt, dass nicht nur das gesprochene Wort, sondern möglichst alle Dimensionen des Gesprächs in die Aufschrift Eingang finden, dass darüber hinaus auch das Dyadische des Dialogs wiedergegeben wird. Auch die Differenz zwischen der gesprochenen und der Schriftsprache sollte herausgehoben werden: «Das Basistranskript enthält die Wiedergabe des Wortlautes der Sprecherbeiträge, eine minimale prosodische Transkription, die nötig ist, um Missverständnisse hinsichtlich der semantischen Struktur und pragmatischen Funktion der Einheiten im Gesprächskontext auszuschliessen, die Notation von Überlegungen, schnellen Anschlüssen, Pausen, Dehnungen, Abbrüchen, sogenannten para-verbalen und non-verbalen Aktivitäten und Ereignissen in einfacher Beschreibung, sowie interpretierende Kommentare» (, Selting et al., 1998, S. 7, zit. nach Kaszka/Reutlinger, S. 55)
Was sie dann als verschiedene Ebenen des Gesprächs ausgemacht haben, das sie mit den Interviewten führten, haben Kaszka/Reutlinger dann typographisch – also bildhaft dargestellt. Das war ja ein Anliegen, das mehr oder weniger explizit von Beginn an darin zum Ausdruck kam, dass der Künstler Anton Engels das Projekt mit seinen Zeichnungen begleitet hat. Da wird die Sprache zum Bild, so wie wir es von den Träumen her schon kennen, was Freud mit der Rücksicht auf Darstellbarkeit beschrieben hat. Sie ist Ausdruck davon, dass dieses Dazwischen, das ja aus den gewohnten Kategorien herausfällt, gar nicht anders kann, als sich medial neu und anders präsentieren zu müssen, womit es gleichzeitig Motor ist von Medialisierung. Was wiederum heisst, dass Medialisierung – man kann dabei an das Silberersche Phänomen denken, auf das sich Freud in der Traumdeutung bezogen hat –, sich nicht nur dem Versuch Anderes darzustellen verdankt, sondern umgekehrt Produktion von solchem Anderen ist. Das ist ein Aspekt, der auch für die psychoanalytische Diskussion der neuen Medien von Bedeutung ist, insofern Psychoanalyse als Theorie der Übertragung immer auch Medientheorie und -praxis ist.
In der ersten Falldarstellung wird das sehr schön vorgeführt, wenn Britta von ihrer Pubertät erzählt. Bis dahin war ihre Entwicklung innerlich und äusserlich wenig auffällig – auch für sie nicht. Dann aber begann es sich zuzuspitzen, die Unterschiede wurden deutlicher, eine Kluft zwischen männlich und weiblich ging auf – und zwar gerade dadurch, dass diese Pole nicht mehr so unterscheidbar wurden. Diese Ordnung funktionierte nicht mehr, diese Einteilung scheiterte ständig. Das war in der Hauptschule noch weniger ein Problem – es macht den Anschein, dass es dort eher tolerierbar war – im Gymnasium wurde es für sie sehr kritisch mit Anfeindungen und Ausschlüssen.
Dort begann sie dann den Spiegel zu lesen und das wird dann in dieser Schrift geschrieben, die den Spiegel zum Sich-Spiegel(n) macht, womit sich die Situation und das Bemühen im Spiegel etwas über sich zu erfahren, im Bild von sich selbst eine Klärung zu finden, auf die Zeitschrift verlagerte. Ob man das dann als Intellektualisierung bezeichnen soll, bleibt dahingestellt. Auf jeden Fall haben wir einen Umschlag von Bild zu Schrift, die ihrerseits wiederum durchaus bildhaft funktioniert. Das ist schon beinahe traumhaft.
Schauen Sie sich das an: Das ist wunderbar. Da wird die Typographie nicht einfach die Wiedergabe des Inhalts, sondern zum Träger dessen, was eben nicht einfach gesagt werden kann, zum Träger dessen, das (noch) keine diskursive Form hat. Die Typographie vermittelt das, was sich in dem Dazwischen abspielt, das ja das Feld der Intergeschlechtlichkeit ist. Da klappte nichts mehr, da war das Scheitern des Gewohnten ständiges Ereignis, das Scheitern dessen, was man als Geschlecht bezeichnet. Und Britta begann den SPIEGEL zu lesen, der aber ein Sich-Spiegel(n) war und genau darin darauf verwies, wie sehr sie einen Spiegel, ein Anderes suchte, um von diesem Scheitern ein Bild zu bekommen. Und genau diese Verschiebung, die sich als Metonymie vom SPIEGEL zum Sich-Spiegel(n) ergab, war schon eine Darstellung dessen, was sie umtrieb, war eine Medialisierung des Umtriebs, des Triebs, der etwas vorführte, was in dieser Typographie und nicht in der Diskursivität der Sprache sichtbar werden konnte. Rücksicht auf Darstellbarkeit in Aktion.
Das ist Interdisziplinarität at it’s best: Im Bemühen um Vergleichbarkeit, um Standardisierung, um Reliabilität bringt das Zuhören Diskrepanzen, Differenzen nicht nur ins Ohr, sondern in den Blick. Auch das ist Interdisziplinarität. Und diese Differenzen – sehr schön der Plural – öffnen neue Darstellungsweisen, neue Medien. Das hat Silberer schon für den Traum beschrieben und Freud hat das natürlich aufgegriffen. Verdichtung und Verschiebung.
Wenn man diesen Textauszug anschaut, dann ist er sperrig, nicht so leicht zu lesen, ist immer wieder unterbrochen, weil die Satzkonstruktionen von den beschreibenden Sätzen der Autorinnen nicht übergehen in die wiedergegebenen Sätze der Interviewten, weil auch die Beschreibungen immer durchsetzt sind von den Sternchen und umgekehrt die Wiedergaben von den hhmms und sonstigen wiedergegebenen Lauten durchsetzt sind, die ein Ganzes gar nie aufkommen lassen, sondern eine Fragmentiertheit markieren, die sehr viel mehr über die Situation von Brita aussagt als die psychoanalytischen Theorien, die da herangezogen werden.
Die beschreibende Erzählung von Britta versucht eine ganze Geschichte zu erzählen – und sie doppelt da später nochmals nach, wie könnte man es ihr verdenken –, aber die Form der Gestaltung bricht diese Rundung der Erzählung, die entlang der Linien verläuft, wie man sie sich vorstellt, wie man sie kennt, immer wieder auf. Das ist grossartig, muss man sagen.
So scheint es fast, dass das Anliegen des Buches vor allem durch die Form der Wiedergabe dieser Interviews zur Geltung kommt, weniger durch den Inhalt, der schnell Interpretation in gewohnten Bahnen werden kann. Das macht es nicht schlechter – sondern besonders. Auf eine Art besonders, die der Situation der Intergeschlechtlichkeit durchaus zu entsprechen scheint. Auf eine Art, die dem missing link entspricht, der ja diesen Bereich markiert. Der Raum, den man hier als Metapher durchaus benutzen könnte, ist in der Psychoanalyse schon etwas sehr abgegriffen. Nicht zuletzt deshalb, weil mit ihm immer der Anspruch verbunden ist, dass er gegeben werden müsse. Hier ist dementgegen dargestellt, dass es einer ist, der sich durch das Scheitern und seine Notwendigkeit der Medialisierung des Anderen, man könnte auch sagen: durch das Denkens des Anderen ergibt, was auch heisst, dass das Denken den Raum öffnet, man sich nicht darauf zurückziehen kann, dass er einem fehlt – was ja inzwischen zu einem Topos der Psychoanalytikerinnen geworden ist.
Wir danken Mira Kaszka und Simon Reutlinger für diese Arbeit an der Intergeschlechtlichkeit, die sehr viel mehr ist: eine Arbeit, die Psychoanalyse als eine des Ungewissen und der Auseinandersetzung damit erweist.
Photos:
Sebastian Mayer, courtesy of the artist
With credits to Insa und Reimut
Die Surrealisten haben schon gewusst, dass die Dinge nicht einfach so sind wie sie zu sein scheinen – und sie haben es von der Psychoanalyse aufgenommen, die es inzwischen schon wieder etwas vergessen zu haben scheint, was sie ja auch ausmacht, die Psychoanalyse, dass sie es mit dem Vergessen und nicht zuletzt auch mit dem Vergessenen zu tun hat, was man auch an aktuellen Diskussionen sehr schön sehen kann. Die Psychoanalyse ist also nicht, wie könnte sie auch, vor sich selbst geschützt, wenn sie meint, sich vor anderen schützen zu müssen.
Wenn René Magritte darauf hinwies, dass diese Pfeife auf seinem Bild eben keine Pfeife ist, dann meinte er damit nicht nur, dass sie ja eben ein Bild ist, das man vielleicht sogar auch rauchen könnte – dazu müsste man es verbrennen, was dann Yves Klein zusammen mit Jean Tinguely und Niki de Saint-Phalle durchaus gemacht haben – und dann könnte sie, die Pfeife, auch rauchen. Auf jeden Fall wird damit gezeigt, dass eine Pfeife nicht einfach eine Pfeife ist, dass ein Ding nicht einfach das ist, was es zu sein scheint, dass die Wirklichkeit auch nicht einfach das ist, was sie zu sein scheint. Und sie, die Surrealisten haben sich dabei auf die Träume und Die Traumdeutung bezogen, so wie sie Freud entwickelt hat. Und diese Traumdeutung hat ja auch nicht nur dieses besagt, dass da Träume gedeutet werden, sondern noch das, dass Träume Deutungen sind, nicht zuletzt solche dieser Wirklichkeit und darin vorführen, dass diese noch ganz andere Dimensionen hat als dieser feste Boden zu sein, auf den zu stehen, man immer wieder anempfohlen in einschlägigen Diskussionen bekommt, die wir ja sehr gut kennen.
Dali hat das nicht nur in diesem Bild, aber da auf jeden Fall sehr eindrücklich dargestellt mit der Uhr, mit der Zeit, an der sich halten zu können man sehr gerne glaubt, die das auch versprechen kann, weil Pünktlichkeit ja eine Zier ist. Diese Uhr ist dieses auf jeden Fall: eine Zier, wer wollte das bestreiten. Eine Zier allerdings, die gerade nicht diese Geradlinigkeit der Zeit und der von ihr vermessenen Wirklichkeit darstellt, sondern eine ziemlich verbogene ist, die sich beinahe schon um sich selbst schlingt, sich selbst umarmen kann, bei der also vorne und hinten – so wie in den Träumen und wie durchaus auch in der Sexualität, aber eben nicht nur dort – vertauscht werden kann. Die Uhr, die Zeit scheint da auch zu schlafen, sie hat sich schlafen gelegt, was ja wiederum auf den Traum verweist, in der sie ihr anderes Unwesen treibt – und wir können nicht sicher sagen, inwieweit das nicht auch ihr Wesen sein könnte, inwieweit das Wesen vielleicht vor allem durch das Ausmass seines Unwesens, inwieweit ein Ding vor allem durch das Ausmass seiner Abweichungen bestimmt wäre –, die Zeit, und sich selbst auf den Kopf stellt und dekonstruiert.
Wenn die Surrealisten mit der Psychoanalyse damit immer noch und immer weiter auf etwas hinweisen, was sie selbst vergessen zu haben in Gefahr ist, dann ist ja das kein Makel und kein Defizit, sondern vor allem genau der Hinweis, dass das, was ist, das, was zu sein scheint, immer noch einen anderen Boden hat, der vielleicht ein doppelter Boden ist – so wie wir ihn von der Zauberei her kennen –, aber vielleicht auch noch mehr als ein doppelter Boden.
Der Fetisch – der ja das psychoanalytische Verständnis vom Ding beschreibt – verwandelt diesen doppelten Boden in die reine und glatte Oberfläche, von der Freud sagte, dass man, dass die Analytikerin von ihr ausgehen müsste. Der Fetisch verwandelt den doppelten Boden und seine Abgründigkeit, den Horror, in den man fallen könnte, so wie man über einen Gitterboden geht, so wie man über ein Glas geht, einen Glasboden, in den man einbrechen, in den man fallen, in dem man stürzen könnte, so wie man ja nächtlicher weise in den Traum stürzt. Diesen Horror, diesen Fall, der ja beim Fetisch der fehlende und verlorene Fall, Fallus, Phallus ist, diesen Horror verwandelt der Fetisch in Schönheit, in Glanz und natürlich auch in Glamour. Und natürlich könnte man sagen, dass der Fetisch da immer etwas vortäuscht, dass er immer dabei ist zu schwindeln, dass es einem schwindlig werden kann mit ihm, bei ihm – das ist sicherlich richtig, keine Frage. Die Frage ist nur, was daran schlimm ist, was daran falsch ist, inwieweit das Gegebene wahrer ist als das Vor-Gegebene. Vielleicht kann man ja gar nicht anders, als etwas vorzugeben, vielleicht kann man nicht anders als vorzugeben und vielleicht hat dieser Schwindel ebenso sehr Boden unter den Füssen, abgründigen Boden, über den er sich erhebt, auf dem er nicht nur steht, von dem er abhebt, startet und fliegt.
Das ist doch der Fall bei den Prüfungsträumen, die mit dem Fall drohen, die den Fall an die Wand malen, die aber gleichzeitig eine Vorgabe machen, die ja bei jeder Prüfung unerlässlich ist. Wie könnte man sie machen, wenn man nicht daran glauben würde, was nicht ist, wenn man an dieses Vorschwein nicht glauben würde, dass dann das Glück, das Schwein bedeutet, die Vorgabe doch zu erreichen, sie zu schaffen – fliegen zu können.
Da hatten wir neulich einen Traum in unserer Traumstation, der genau davon zu erzählen schien. Da war es so, dass die Träumerin die Vögel fliegen lassen wollte, sich daran ganz enthusiastisch freute, gleichzeitig aber auch diejenige war, die sie einsperrte und sie genau daran hinderte. Sogar war sie nicht unschuldig am Tod einer dieser Vögel, die sie fliegen lassen wollte – Hitchcock lässt grüssen, der von dieser Doppelbödigkeit der Vögel in seinem Film erzählt hat, die vor allem Abgründigkeit des Fliegens gewesen ist.
Und wenn die Wünsche der Träumerin von Vögeln dargestellt sind, wenn die Wünsche die Vögel und die Vögel die Wünsche sind, wenn es also ums Fliegen geht, dann liegt es ja auch nicht fern – die Vögel können ja wunderbar fliegen –, dass es sich dabei auch um Sexuelles handeln könnte. Wir haben es mit Vögeln und mit vögeln zu tun. Das könnte zunächst vielleicht etwas an den Haaren herbeigezogen scheinen, aber einer der beiden Vögel war ja auch sehr flauschig, der andere blau mit goldenen Sprengseln – nachtblau könnte man da vermuten mit goldenen Sternen am Himmel.
Und es geht da auch um eine erste Liebe, die unglücklich verlaufen ist, deren Stern aber immer noch am Himmel und im Traum dieses Nachthimmels leuchtet. In diesem Kontext fällt dann die Bemerkung, die einerseits auf die Vögel, aber natürlich auch auf die Liebe gemünzt ist, die die Vögel ja auch, aber nicht nur sind: „Nun ja, man muss die prächtigen Tiere nun mal einsperren, um sie zu behalten“.
Und die Träumerin erinnert an einen Spruch, den man ja sehr gut kennt, der häufig in Bezug auf diese Realität zitiert wird, die ja dann manchmal auch eine eher vernagelte und eingesperrte ist: «Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!» Im Zuge nicht nur dieser Sicht auf die Dinge, wie sie die Surrealisten sie uns wieder vorführen, sondern ebenso dieses Traumes mit den Vögeln und der Frage, inwieweit sie fliegen können und vor allem dürfen, würden wir den Spruch gerne umkehren – darum geht es ja im Traum auch immer wieder, um solche Umkehrungen, und damit rufen: «Lieber die Taube auf dem Dach als den Spatz in der Hand», weil ja so die Wünsche erst fliegen lernen.
Und damit gehen wir dann noch einen Schritt weiter zu einer Künstlerin, die zwar nach den Surrealisten lebte, jedoch wohl kaum ohne Verbindung zu ihnen, die ebenfalls viel mit Dingen gemacht, sie auch immer wieder verwandelt und gezeigt hat, welche Verwandlungen in den Dingen in ihren bodenlosen Boden schlummern – und nicht bei der Taube auf dem Dach bleiben, sondern den Pfau noch dazunehmen, der so wunderbare Räder schlagen kann, mit denen man fliegen kann, die schon selbst ein Abheben sind, die schon selbst ein Flug sind. Rebecca Horn hat das wunderschön dargestellt:
Womit sich weiter die Frage stellt, ob der Flug nicht vielleicht sogar der andere Boden ist, um den es da immer geht, was ja schon Ikarus und Daedalus gewusst haben, wovon sie schon geträumt haben, was sie auch mit ihrem Leben bezahlt haben, aber vielleicht muss man halt manchmal auch mit dem bezahlen. Freud jedenfalls meinte das, wenn er am Schluss von Zeitgemässes zu Krieg und Tod folgenden Satz paraphrasierte:
Si vis pacem, para bellum. Wenn Du den Frieden willst, rüste zum Kriege.
Es wäre zeitgemäss ihn abzuändern: Si vis vitam para mortem. Wenn Du das Leben aushalten willst, richte Dich auf den Tod ein.“ (SA IX.S.60)
Schön, wie dieser Text abhebt und sich dreht und wendet, ganz so eigentlich, wie sich die Kamera in dem Film von der Quellenstrasse wendet, fliegt, schwebt, die Dinge aus einem Mausewinkel aufnimmt, die Dinge gegeinander spiegelt, bis sich wieder neue Muster ergeben.
Ein Glück, wenn einem wieder einfällt, dass man die Kamera ja gar nicht immer so gerade auf die Dinge richten muss, sondern dass man mit ihr spielen kann.
Aktuelle Diskussion zum Blog
So abgedroschen es klingt: Die Geschichte wiederholt sich als Farce. Trist es es trotzdem.
Aktuelle Diskussion zum Blog
In den Geschehnissen der letzten Tage – welche, wie es aussieht, dazu führen werden, dass diese Seite und die Beiträge wohl bald vom Netz genommen werden – ist mir immer wieder Jessica Benjamin in den Sinn gekommen. Auf eindrückliche Weise hat sie diese fragile und fruchtbare Spannung beschrieben – in ihren Worten aus „Die Fesseln der Liebe“ ist es eine Spannung zwischen dem Wunsch nach Selbstbehauptung und dem Wunsch nach Anerkennung durch den anderen -, eine Spannung, die immer prekär ist, die jederzeit zusammenzubrechen droht, und dann in Herrschaft umschlägt, in Machtausübung und Unterwerfung. Da sind dann die Verhältnisse endlich klar, da herrscht endlich Ordnung. Aber es entsteht dann leider auch nichts Spannendes und Überraschendes mehr.
Das PSZ hat es eigentlich erstaunlich lange geschafft, in all den Konflikten, die es unweigerlich gegeben hat und gibt, eine produktive, wenngleich jederzeit fragile und prekäre Spannung aufrecht zu erhalten.
Wie Dominosteine haben die Spannungsverhältnisse jetzt zu kippen begonnen.
Wo hat es begonnnen? Vielleicht tatsächlich mit der Akkreditierung durch das BAG. Die Institution PSZ steht seit einigen Jahren selber auf dem Prüfstand, unter dem Druck, das, was sie tut, zu rechtfertigen.
Dies hat sich in die Standortgespräche durchgeschlagen. In der Regel gar nicht in böswilliger Weise, meine eigenen solchen Gespräche waren nicht unangenehm, es haben sich darin mitunter auch produktive Diskussionen ergeben. Unter den Menschen in der PSZ-Weiterbildung war und ist aber doch spürbar, dass sich die Menschen in der Weiterbildungskommission vermehrt unter dem Eindruck befinden, dass sie das, was sie in den Gesprächen und in der Beurteilung von Arbeiten tun, rechtfertigen müssen, dass sie bestimmten Erwartungen an ihre Rolle gerecht werden müssen. Nachzulesen ist dies auch in der Auseinandersetzung eines ehemaligen Mitglieds der Weiterbildungskommission mit der eigenen Rolle, welche im kommenden Herbst am PSZ offen diskutiert werden wird. In manchen Standortgesprächen ist so die produktive Spannung zusammengebrochen und in ein Herrschaftsverhältnis umgeschlagen. Zumindest ist es der Eindruck von mehreren (längst nicht von allen!) Menschen in der Weiterbildung gewesen, dass sie sich im Gespräch einer bestimmten Sichtweise haben unterwerfen müssen, um zu bestehen.
Diese Gefahr besteht ja immer unter solchen Voraussetzungen, solche Situationen gibt es auch in jeder Psychotherapeutischen Weiterbildungsinstitution, da braucht man sich ja bloss mal umzuhören unter den Arbeitskolleginnen und Kollegen in anderen Weiterbildungen. Der grosse Vorzug des PSZ war und ist es ja, dass eine offene und auch öffentliche Diskussion darüber möglich ist. Dass das PSZ eine Institution ist, welche sich etwa zu folgendem Leitbild bekennt:
„Die Fähigkeit, Manifestationen des Unbewussten – des eigenen und des fremden – zu erkennen und deutend auf sie einzugehen, lässt sich nicht in Prüfungen nachweisen. Das Psychoanalytische Seminar Zürich versteht sich deshalb in seinem Lehrangebot und von seiner Organisationsform her nicht als akademischer Betrieb, in dem kodifiziertes Wissen vermittelt wird. Vielmehr gestalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren Weg zur Psychoanalytikerin, zum Psychoanalytiker oder zur psychoanalytischen Psychotherapeutin, zum psychoanalytischen Psychotherapeuten weitgehend in eigener Verantwortung.“ (https://www.psychoanalyse-zuerich.ch/leitlinien)
Von diesen einzelnen Standortgesprächen aus jedenfalls ist der Zusammenbruch dieser Spannung und die Frustration hierüber dann in diesen Blog durchgeschlagen. Damit ist dann das schon lange bestehende – oft auch durchaus produktiv gewesene – Spannungsverhältnis zwischen dem PSZ und der ihr zugehörigen Ressortgruppe The Missing Link ins Kippen gekommen.
In einzelnen Beiträgen in diesem Blog wurden leider Einzelpersonen direkt und unfair angegriffen. Der Missing Link hat diese Beiträge selbstverständlich gelöscht, sich bei den betroffenen Personen entschuldigt und technische Massnahmen getroffen, damit Beiträge vor der Veröffentlichung gelesen und freigeschalten werden können. Es war ein Fehler, dass diese technischen Massnahmen nicht von Anfang an getroffen wurden.
Gleichzeitig wollte der Missing Link der Aufforderung nicht nachkommen, den Blog vom Netz zu nehmen, und damit eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Weiterbildung zu unterbinden. Seit Jahren ist dies am PSZ möglich, man schaue sich nur die alten Ausgaben des hauseigenen Journals für Psychoanalyse an.
Die – berechtigte und vom Missing Link geteilte – Empörung über den unfairen Angriff auf Einzelpersonen in einzelnen Beiträgen dient nun als Drehpunkt, über den jetzt auch das Spannungsverhältnis zwischen PSZ und dem Missing Link kippt.
Aktuelle Diskussion zum Blog
Lieber Fabian,
herzlichen Dank!
Ich habe mir Deinen Beitrag herauskopiert, falls morgen wirklich der Blog abgestellt würde.
Ich bin seit Freitagabend sprachlos und schockiert, so habe ich uns noch nie erleben müssen. Du triffst einen wunderbaren Ton und vielleicht, auch wenn es mir gerade schwerfällt, daran zu glauben, kann daraus dann doch wieder ein intelligentes Zusammenspiel, ein Miteinander werden.
Vielleicht hat die Pandemie mehr mit uns gemacht, als wir momentan wissen? Ich kann es gerade jedenfalls nicht fassen, wie uns da geschieht.
Liebe Grüsse, Beate
Zum Ort des Analytikers
Vielleicht Eulalia? Oder Kunigunde? Oder Klaus-Dieter? Oder OK? Oder KO? Oder falo? Oder nessellenk? Oder vielleicht umgekehrt?
Zum Ort des Analytikers
Als Analytiker ist man am Ort des verlorenen Objekts positioniert. Bei allen Festlegungen, bei allem Wissen, ist man immer wieder und nicht von ungefähr im Ungewissen. Odysseus, der Listenreiche, wusste schon davon als er Polyphem, dem einäugigen Zyklopen als Gastgeschenk drei Becher schweren Weins anerbot. Um sein Gegengeschenk dann machen zu können, fragt der Zyklop Odysseus nach seinem Namen. ‘Niemand» antwortet dieser darauf. In der Nacht rammen Odysseus und seine Gehilfen Polyphem einen Pfahl in sein einziges Auge, worauf dieser die anderen Zyklopen zu Hilfe ruft. Als die ihn fragen, was denn sei, ruft er: ‘Niemand’ will mich töten… Worauf diese von dannen zogen.
‘Niemand’ zu sein, ist die Bedingung, um dem Gefängnis entrinnen zu können, in das er auf seinen Irrfahrten geraten war und da die Reise als letzter Ort zu beenden drohte. ‘Niemand’ zu sein, ist die Bedingung für sein Weiterleben, um Schicksal und Geschichte haben zu können. So wie Odysseus greift auch der Analytiker dazu, ‘niemand’ zu sein, um die Reise, die Analyse weitertreiben zu können.
Das Verhältnis von Ich, Produktion und dem ‘Niemand’, umriss auch Fernando Pessoa, wenn er in seinen «Fragmenten» schrieb:
«Einmal hat man mich einen materialistischen Dichter genannt,
und ich staunte, weil ich nicht dachte,
dass man mich überhaupt etwas nennen könnte …
Wenn das einen Wert hat, was ich hier schreibe,
so ist’s nicht mein eigner:
Der Wert liegt in ihnen, in meinen Versen.»
Project Short Film
Project Short Film – Like in a Dream
Ich möchte euch gerne auf unseren Kurs zur Verfilmung von Träumen an der F+F Schule hinweisen.
Das Material aus Träumen ist so vielfältig: es kann verstörend, belustigend, beängstigend und vieles mehr sein. Es folgt nicht der Logik, wie wir sie im wachen Zustand kennen. Kann die Sprache der Träume neue Blickwinkel auf die Realitäten eröffnen? In diesem Kurs wollen wir die Offenheit des Traummaterials nutzen, um eigene Kurzfilme zu produzieren. Dabei lernen wir, ein eigenes Projekt zu realisieren, von der Idee bis zur Umsetzung (Verfilmen, Filmbearbeitung, Ausstellung). Wir beschäftigen uns sowohl mit den theoretischen Fragen bezüglich Träumen, Bildern und Repräsentationen, als auch mit den praktischen Fertigkeiten bei der Erstellung eines Kurzfilms.
Der Kurs findet statt vom 19.-23. Juli jeweils von 9.00-16.00 Uhr
Anmeldungen unter:
https://ffzh.ch/Weiterbildungskurse/?KursId=6994
Zum Ort des Analytikers
Rotraut de Clerck hat einen Text über die österreichische Malerin Maria Lassnig geschrieben mit dem Titel: Malen innerer und äusserer Realität und Körpergefühl.
Dem Text sind drei bemerkenswerte Zitate als Motto vorangestellt:
«Mich endgültig formen möchte ich so spät wie möglich» (Robert Walser)
«Ich bin ein Realist, der mit dem Realismus nicht zufrieden ist» (Maria Lassnig)
«Neues Wissen entsteht durch das bewusste Durchbrechen von Regeln – auch in der Kunst» (Maria Lassnig)
Der Text beginnt dann mit dem Bild Du oder Ich, auf dem eine Frau, die Künstlerin, nackt gezeigt wird, die mit weit aufgerissenen Augen auf uns schaut, in der rechten Hand eine Pistole auf uns Betrachter richtet, während sie mit der linken Hand mit einer Pistole auf ihre Schläfe zielt. Eindrücklich, sehr eindrücklich!
«Tua res agitur, das geht Dich an», wird da gesagt und weiter darauf gezeigt, dass es nicht nur um Aggression und Leid geht, sondern auch um Gewalt und Lust, Sexualität. Denn immerhin wird auf uns gezielt, das Bild richtet sich an uns und es wird auf uns mit einer Waffe gezielt, so wie Amor auf uns mit seinem Pfeil und Bogen zielt. Wir sollen ins Herz getroffen werden, ins Zentrum unseres Lebens, ins Zentrum unserer Lust und der Liebe.
Du oder Ich markiert als Titel damit eine Spannung, die eine Ausschliesslichkeit zu formulieren scheint, die sich auf dem Bild in dem Sinn zeigt, dass es die Frage stellt, ob es eher zu einem Schuss auf uns oder auf sich selbst kommt. Gleichzeitig sind beide Aspekte, beide Schussrichtungen auf eine faszinierende, unzweifelhaft beunruhigende Art und Weise miteinander verbunden.
Das Bild erinnert daran wie nackt, wie ausgeliefert wir in dieser Spannung sind, die immer eine Bedrohung, aber ebenso – man denke an den Pfeil Amors – die Sehnsucht nach dem anderen ist. Eine eindrückliche Veranschaulichung dessen, worum es bei unserem Thema geht: Assoziation Dissoziation – und umgekehrt.
Für Psychoanalytikerinnen ist es nicht weit an die Ambivalenz bei Freud zu denken, an diesen Konflikt zwischen Liebe und Hass, der unser Verhältnis zum Objekt bestimmt – das wiederum nicht nur das äussere, sondern auch das innere ist – auch da geht es immer umgekehrt. Und diese Ambivalenz ist bei Freud gerade keine auflösbare, weshalb er sie immer schon mit dem Trieb assoziiert hat, der eben auch nicht einer ist bei ihm, sondern immer zwei. Die zweite Triebtheorie mit Eros und Thanatos hat dieses Bild sehr treffend beschrieben und die Darstellung dessen, worum es geht, nicht zu etwas Akzidentiellem gemacht – was es auf diesem Bild auch nicht ist.
Die Konstruktion des Selbst ist damit nicht eine, die aus sich selbst passiert, sondern immer auf etwas anderes – und auch auf einen anderen – verwiesen ist. Sie steht genau in dieser Differenz des Du oder Ich wie der Titel des Bildes heisst, mit dem sie begonnen hat – jedoch nicht als Ausschliesslichkeit. Dieses andere ist eben nicht auszuschliessen, es ist wesentlicher Teil der Konstruktion unseres Selbst, auch dann, wenn sich diese Dimensionen so orthogonal gegenüberstehen, wie es im Bild der Fall ist.
Zum Ort des Analytikers
„Einst träumte Zhuang Zhou – da war ein Schmetterling, ein Schmetterling, der verspielt hin und her flattert, wie es ihm gefällt, in glücklicher Übereinstimmung mit sich. Da war kein Wissen von einem Zhou. Plötzlich kam es zum Erwachen – da war ganz und gar, ganz handfest Zhou. Es ist ungewiss, ob Zhou im Traum zum Schmetterling wird, oder ob der Schmetterling im Traum zu Zhou wird. Es gibt Zhou und einen Schmetterling, also gibt es da bestimmt einen Unterschied. Dies nennt man die Wandlung der Dinge.“ (Kapitel 2.14)
Zhuāng Zhōu (莊周 / 庄周)
um 365 v. Chr. – 290 v. Chr
Zhuangzi (Dschung Dsi), Prof. Günter Wohlfart, Seite 69, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2001
Dissoziationen Assoziationen und psychische Entwicklung
Wie steht es denn eigentlich um das Verhältnis zwischen Assoziation/Dissoziation einerseits und psychischer Entwicklung andererseits? Haben die was am Hut miteinander?
Dissoziationen Assoziationen und psychische Entwicklung
Wir wissen ja mit Joe Cocker, dass man den Hut auflassen kann, weil das die Sache und die Ansicht noch heisser und noch schärfer macht, weil er die Nacktheit bricht und damit noch aufregender macht, weil die Nacktheit ihn erst zu einem sehenswerten Accessoire macht, bei dem es ja nicht einfach um die Funktion geht und darum den Kopf zu bewahren oder nicht nass werden zu lassen. Und natürlich ist er ziemlich queer, der Hut, stellt die Verhältnisse zwischen Männlein und Weiblein förmlich auf den Kopf. Also DANKE für den Hut!!!!
Damit ist ja schon angedeutet – wir haben es ja gerne mit den Deutungen –, dass dieses Spiel von Assoziationen Dissoziationen und umgekehrt genuin und notwendig ist, dass nicht nur Kontinuität, Zusammenhänge und Empathie wichtig sind, sondern mindestens ebenso sehr die Brüche. Es ist ja nicht nur so – wie man bisweilen den Eindruck bekommen könnte –, dass man bekommen müsse, was man braucht, dass die Eltern – je einzeln oder zusammen –, das zur Verfügung stellen, liefern müssten, es ist auch nicht so, dass die Therapie und der Therapeut das geben müssten oder geben könnten. Brüche und Einbrüche sind konstitutiv für Entwicklung, weil die Abwesenheit konstitutiv ist zur Ausbildung innerer Strukturen, weil das Objekt, um das es in der Psychoanalyse geht, immer schon das verlorene ist und nicht das anwesende und präsente. Diese Notwendigkeit es immer wieder nicht nur zu finden, sondern vor allem zu bilden und herzustellen, es zu formen und umzuformen ist ja nicht nur Gegenstand der psychischen Entwicklung, die nicht aufhört, es ist diese Entwicklung, die zudem zu keinem Ende kommt.
Das ist ein Allgemeinplatz.
Ein anderer Topos der Entwicklung und bestimmter Varianten von Entwicklungstheorie ist das Verhältnis von Phantasie und Realität, von Wunsch und Wirklichkeit, und dieses wird unter der Notwendigkeit gesehen, da Dissoziationen herzustellen, Trennungen vorzunehmen. Es sei wichtig für das Kind, den Jugendlichen – und weil weder das eine noch das andere je aufhören und ist das eigentlich ein Fluch oder ein Glück? – und den Erwachsenen den Wunsch von der Wirklichkeit zu unterscheiden, einzusehen, dass die Phantasie nicht Realität ist. In einem solchen Prozess der Bescheidung entstehe das Wachsen der Person und der Persönlichkeit. So müssen wir vom PSZ uns ja zum Beispiel daran gewöhnen, dass wir uns nicht nur an die Buchstaben des Gesetzes und seiner Verordnungen halten müssen, sondern diese besser schon rechtzeitig erfüllen, damit wir unsere Akkreditierung nicht verlieren. Es sei schon sinnvoll, sich da den Verhältnissen zu fügen und von unseren Vorstellungen darüber abzulassen, wie wir die Weiterbildung verstehen wollen. Weiter würde dazu gehören, dass wir zudem andere Trennungen vollziehen, nämlich die von Kolleginnen, die nicht unseren Vorstellungen entspreche, was und wie Analytiker sein sollen. Anerkennung würde nur dann Wert bekommen, wenn es auch Ablehnung gibt, und diese müsse sich in Ausschlüssen kundtun.
Das scheint auch eine Bestätigung dieses Spiels von Assoziationen Dissoziationen zu sein.
Nun kennen wir ja alle diese Situationen, in denen man sich nach Handfestem sehnt, nach einer Klarheit. Es gibt sie nicht nur in der Jugend, wenn man auf den Gedanken kommt, dass es doch viel erfüllender wäre statt zu lernen und zu studieren einen handfesten Beruf zu lernen, bei dem klar wäre, was man zu tun hat. Manchmal legt sich eine solche Vorstellung in andere Zeiten, von denen dann gesagt wird, dass es damals wirklich noch grosse Herausforderungen gab, die wir heute in einer Zeit der Saturiertheit nicht mehr hätten. Ebenso kann sie in andere Länder und Regionen verlegt werden, in denen beispielsweise politische Kämpfe toben, bei denen es um etwas geht, was in unseren Gegenden nicht mehr zu haben wäre. Auch in diesen Situationen scheint es klar zu sein, dass man sich nun der Realität zuwenden und die Flausen im Kopf lassen müsse. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
So sicher dürfte das wohl kaum sein. Warum soll man nicht die Taube auf dem Dach nehmen und den Flug beginnen, mit ihm abheben und die Wünsche und Träume umsetzen, an ihnen festhalten. Heisst das wirklich, dass man damit die Realität verpasst, dass man an ihr scheitern müsste. Natürlich ist es so. Wie könnte man anders als an ihr scheitern. Das ist freilich nicht anders, wenn man sich ihr – beziehungsweise dem, was als sie bezeichnet, was ja auch nur ein Wunsch, ein Desiderat ist, so als ob es diese Realität, auf die man sich als gegebene und sichere beziehen könnte, als solche wirklich geben würde – von vornherein verschreibt. Das schützt keinesfalls vor dem Scheitern. Und ein Absturz des Fluges, des Fliegens, des Auffliegens muss nicht heissen, dass man nun am Boden entlang sich bewegen müsse, weil man dann zum Glück diesen unter den Füssen hätte. Es kann genauso heissen – Sisyphus hat davon nicht einfach als Resignation, sondern auch als Lust immer neuer Herausforderung erzählt – wieder aufzufliegen und es anders zu machen. Wie sonst hätten wir sonst fliegen gelernt, wie sonst könnten wir es lernen, wenn es Ikarus nicht gegeben hätte.
So ist es auch mit Schweben, das ja auch ein Fliegen ist. Das Fliegen in der Analyse, wenn sie gleichschwebend ist. Da kann es auch nicht anders als zu Abstürzen kommen, was nicht heissen sollte und muss, dass es mit der gleichschwebenden Aufmerksamkeit aufhören soll.
Also: ja, ja, die Brüche gehören schon dazu, ohne sie geht es kaum. Und sie führen zu neuen Anfängen, zu einem neuen Abheben, zu neuen Verbindungen und genau so geht es weiter und das ist doch das, was Entwicklung ausmacht: dass sie weitergeht. You can leave your hat on – lass es fliegen und heb damit ab, lass sie fliegen, die Lust und immer weiter…
Assoziationen Dissoziationen – allgemein
„Die Psychoanalyse […] ist eine dynamische Auffassung, die das seelische Leben auf ein Spiel von einander fördernden und hemmenden Kräften zurückführt. Wenn in einem Falle eine Gruppe von Vorstellungen im Unbewußten verbleibt, so schließt sie nicht auf eine konstitutionelle Unfähigkeit zur Synthese, die sich gerade in dieser Dissoziation kundgibt, sondern behauptet, daß ein aktives Sträuben anderer Vorstellungsgruppen die Isolierung und Unbewußtheit der einen Gruppe verursacht hat. Den Prozeß, der ein solches Schicksal für die eine Gruppe herbeiführt, heißt sie ‚Verdrängung‘ und erkennt in ihm etwas Analoges, wie es auf logischem Gebiete die Urteilsverwerfung ist. Sie weist nach, daß solche Verdrängungen eine außerordentlich wichtige Rolle in unserem Seelenleben spielen, daß sie dem Individuum auch häufig mißlingen können und daß das Mißlingen der Verdrängung die Vorbedingung der Symptombildung ist.“ (Freud 1910)
„Bevor sie sich als Klinik oder Theorie spezifiziert, bestimmt sich die Psychoanalyse zunächst als ‚ein Verfahren zur Untersuchung seelischer Vorgänge, welche sonst kaum zugänglich sind‘ (Freud, 1923a, S.211). Diese Methode wird nun immer wieder als analytische, als assoziativ-dissoziative bestimmt, wobei die ‚freie Assoziation‘*oder die ‚freien Einfälle‘* nur als Weg benutzt werden, um jeden vorgegebenen Sinn aufzulösen. Eine analytische Methode also, von der man voraussetzt, daß sie mit dem von ihr postulierten Objekt in Übereinstimmung steht: der ‚[sogenannten] unbewußten Vorstellung‘. Gerade diese Zugangsweise berechtigt uns, im angepeilten Objekt das Fehlen jedes synthetischen Sinns zu postulieren.“ (Laplanche 1998)
Assoziationen Dissoziationen – allgemein
Und wenn man nun das erste Zitat von Freud und seinen Verweis auf das Symptom ernst nimmt, dann muss man ja sagen, dass Symptome vor allem dieses sind: Das Spiel zwischen dem Dissoziierten, dem Verdrängten, und dem Assoziierten, dem, mit dem wir bewusst verbunden sind, woran wir uns bewusst binden und auch klammern. Symptome sind dann nicht einfach Krankheitserscheinungen, die sie auch sein können, viel interessanter ist, dass sie Spielplätze sind.
Und wenn wir mit der Verdrängung ja nicht von ungefähr auf die Hysterie zurück kommen, die ja die Quelle der Psychoanalyse ist, die Freud von seinen Patientinnen geschenkt bekommen hat, dann heisst das nur umso mehr, dass wir den Innenhof der Quellenstrasse zum Spielplatz machen werden, auf dem die Hysterie – vielleicht viel mehr als wir selbst – die Regie führen und sich in Szene setzen wird.
Prüfungsträume
Natürlich ist es umstritten – wie könnte es anders sein: Das PSZ als sich selbst verwaltete Assoziation von Psychoanalytikern und an der Psychoanalyse Interessierter ist in seiner heutigen Form entstanden durch eine Dissoziation. Durch einen Ausschluss aus der SGP, Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. Unterschiedliche Auffassungen in Fragen der Ausbildung und dem gesellschaftlichen und kulturellen Status der Psychoanalyse haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt.
So wurde das PSZ zu einem Ort, an dem Aus-, Weiter- und Fortbildung nicht im Zeichen der Vermittlung von einer Wahrheit, einer richtigen Theorie und Praxis steht, sondern im Bemühen eine Erfahrung dessen zu vermitteln, dass Wahrheit keine singuläre ist, immer noch eine andere, mehrere andere mit sich trägt – und auch überträgt.
Nicht erst staatliche Reglementierungen haben den Wunsch nach klareren Unterscheidungen, nach deutlicheren Hierarchien, die Forderung nach einer Vermittlung von Wissen verstärkt und prägen immer mehr die Situation am PSZ. Das Spiel um Dissoziationen und Assoziationen geht weiter, zieht andere Grenzen, formatiert die Felder des Austauschs neu.
Natürlich ist all das umstritten – wie könnte es anders sein. Wir wollen weiter streiten.
Ein Analysand träumt von seiner bevorstehenden Defense, für die ihm noch Zeit bleibt, für die er ganz zuversichtlich ist. Und er träumt davon, dass alles doch nicht fertig wäre, dass dieses und jenes noch fehle und er kommt ins Schwitzen. Einer von uns hat lange, lange Zeit geträumt – und träumt es gelegentlich immer noch –, dass seine Maturprüfung kurz bevorstehe, er aber keine Ahnung mehr von all dem Stoff hat, der da geprüft werden wird. Auch ihm wird es zunehmend mulmig, bis ihm dann irgendwann im Traum die Erinnerung kommt, dass er ja bereits einen akademischen Grad hat – und er muss schmunzeln.
Natürlich kann man bei diesen Träumen an ähnliche von Freud beschriebene denken, in denen wie bei den Weckträumen die Erfüllung des Wunsches vorgegaukelt wird. Natürlich kann man sie auch auf dem Hintergrund der jeweiligen Biografie verstehen, aber vielleicht führen sie uns doch dieses Spiel von Dissoziationen Assoziationen vor, lassen sie uns lächeln und lachen darüber wie fragil die Anerkennung ist – und die von ihr eingenommenen Positionen –, was für Ausblicke umgekehrt all das Nicht-Abgeschlossene vermitteln kann.
Sollte man das vielleicht nicht als durchaus Freud-vollen Anstoss dafür nehmen, wie unausgebildet psychoanalytische Ausbildung sein könnte und vielleicht sogar sein müsste?
Unter dem Titel «Prüfungsträume» wollen wir diese Fragen als einen Austausch weiterführen, bei dem es nicht unbedingt um Antworten geht …
Prüfungsträume
Da geht es doch oft um das Auffliegen, in den Prüfungsträumen und den Phantasien zu bevorstehenden Prüfungen: Jetzt fliegt es auf, dass … – jetzt kommt alles aus.
Dass … was eigentlich? Dass ich EIGENTLICH ja gar nichts weiss, dass ich EIGENTLICH ja gar kein Psychoanalytiker bin – dass ich nur so tue, als ob.
Die Karrierefeministin Sheryl Sandberg spricht von „impostor syndrome“, vom Hochstaplersyndrom, als typisch weibliches Phänomen: Egal, wie viel sie schon erreicht hat, egal, wie viele Diplome sie schon hat, immer sitze ihr, der Frau, die Angst im Nacken, als Hochstaplerin aufzufliegen. Die Angst vor dem Auffliegen scheint mir aber nicht ans Geschlecht gebunden zu sein, oder?
Ist es denn eine reine Angstphantasie, von der man (tag)träumt, oder ist da auch eine Lust am Auffliegen, eine Art Zeigelust vielleicht: nackt, frei von Diplomen und Qualifikationen erblickt zu werden?
Auf jeden Fall scheint sie – die Angst und wohl auch Lust am Auffliegen und dass es, das Auffliegen, aber um jeden Preis verhindert werden muss, nicht passieren darf, das darf niemand sehen – sie scheint mir ein ganz wesentlicher Motor von PSZ-Prozessen in den letzten Jahren zu sein.
Ja, wie wäre denn das, wenn das BAG, wenn sie alle sehen könnten, dass am PSZ … ja, was?
Prüfungsträume
Übertreibung und Ansteckung – Hysterie at its best – bis man wirklich nichts mehr sieht oder immer nur das Gleiche im ewig anderen Gewand. Da kann es schon vorkommen, dass man gar nicht realisiert oder wahrhaben will, dass die Dinge tatsächlich in Bewegung sind und sich verändern.
Würde dies zu erkennen nicht ein ebenso prächtiges Auffliegen bedeuten?
Vielleicht schon – aber keine Angst: Einfach immer weiter hysterisieren, am besten mit einem rauschenden Fest!
Prüfungsträume
Weiter zum Auffliegen – und auch zum Fertigmachen
Der Aspekt des Beginnens, den Nicht-Abgeschlossenen, des Anfangens und Anfängers, der alles andere als nebensächlich ist, obwohl er genau dort verortet ist, nämlich nicht im Zentrum, das diese ausgesprochene Neigung hat, sich abzuschliessen.
Und zum Auffliegen eine Geschichte, eine Prüfungsgeschichte mit alptraumartigem Charakter. Am Morgen der Promotionsfeier musste man in der Aula zur Probe erscheinen. Probe für die Aufführung, Probe fürs Fliegen, die zu einer Probe fürs Auffliegen wurde. Natürlich eine ganze Reihe von zu Promovierenden und man wurde über den Ablauf instruiert. Jede müsse gleich anschliessend hoch auf die Bühne und dort auf den Stühlen schauen, wo ihr Namen stehe, sich dann dort setzen und die weiteren Instruktionen entgegennehmen. Gesagt getan, langsam, man muss ja nicht die erste sein, ging ich hoch, alle waren am suchen und finden, sich setzen, ich suchte weiter und weiter, fand den Stuhl mit meinem Namensschild nicht – und plötzlich waren alle Stühle besetzt. Schweissausbrüche und da kam sie: Die Erinnerung, dass ich ja damals bei Aufnahme des Studiums die Auflage bekommen habe, noch ein Philosophie-Propädeutikum zu machen, was ich dann allerdings nie gemacht hatte. Jetzt also ist es aufgeflogen, dass ich das nie gemacht habe!!!!!!!!! Ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Einer der Instruktoren erbarmte sich meiner, kam auf mich zu und fragte, was denn sei und ich meinte, dass ich meinen Stuhl nicht gefunden hätte.
Dann stellte sich heraus, dass ich in der falschen Gruppe war, dass ich noch gar nicht dran war, mit dem Proben und deshalb mein Stuhl von jemand anderem besetzt war. Später hat es dann geklappt mit der Promotion.
Wunderbar, das werde ich nie vergessen. Hat aber nicht dazu geführt, dass ich immer alle Auflagen zu erfüllen mich bemühe. Eher nicht eigentlich.
Und natürlich könnte man auch hier eine Auflehnung gegen die Autorität – «Kann nicht zuhören» und «Wer nicht hören kann, muss fühlen» – sehen mit der damit verbundenen Kastrationsangst, die den Schweiss aus den Poren treibt. Und wer wollte solche möglichen Zusammenhänge bestreiten – ich also nicht.
Aber vielleicht ist diese Geschichte auch ein Hinweis darauf, dass dieser Zustand der Fehlbarkeit zur Sache gehört, zur Sache der Promotion gehört. Und wenn sich die Frage nach der psychischen Entwicklung stellt und ihrem Zusammenhang zu Assoziationen Dissoziationen – und umgekehrt, dann könnte dies ein Hinweis sein darauf, dass die Promotion nicht ohne eine solche Fehlbarkeit vonstatten geht, dass es weiter auch dazu gehören kann zu dieser psychischen Entwicklung, dass man nicht immer alles hören muss, dass man nicht immer hörig sein muss, dass man auch nicht hört, um anderes hören zu können.
Weiter könnte die Geschichte einen Bogen spannen, der im Moment eines Abschlusses, einer solchen Anerkennung – der Promotion – wieder zurück zum Anfang führt, an dem noch so vieles offen war. Dieser Bogen wäre dann der Hinweis darauf, dass der Abschluss gleichzeitig mit dem Anfang verbunden ist, dass er auch ein Anfang ist, dass er offen bleiben muss, weil wie sonst soll es offen bleiben.
Deshalb scheint mir diese immer grösser gewordene Bedeutung des Abschlusses und der daran geknüpften Anerkennung auch etwas zu übersehen, dass es eben nicht einfach um einen Abschluss geht oder – mit anderen Worten –, dass es um einen Abschluss geht, der mit dem Anfang verbunden bleiben muss, mit diesem Anfang, an dem man noch gar nicht so viel weiss, in dem man voller Neugier und voller Begierde auf Neues ist. Nicht von ungefähr hat J.B. Pontalis einem seiner Bücher über Psychoanalyse den Titel Ins Beginnen verliebt gegeben. Es ist zudem ein literarisches Buch, das von Analysen erzählt, die Geschichten, die Literatur sind. Damit hat er natürlich das aufgenommen, was über Freud gesagt wurde – und als Begründung für den einzigen Preis, den er erhalten hat – einen Literaturpreis –, angefügt wurde, dass seine Fallgeschichten wie Novellen zu lesen seien. Damit hat er aber auch gesagt, dass dieses Beginnen, dieses Anfangen nicht nur ein Stadium des Anfangs ist, das dann abgeschlossen und zu einem Ende gebracht wird, sondern dass es ein Zustand, eine Haltung ist, die genuin zur Psychoanalyse gehört.
Das heisst doch auch, dass mit einer solchen Anerkennung nicht etwas abgeschlossen wird und in dem Sinn noch weniger ausgeschlossen werden sollte. Es ist doch eher umgekehrt, dass ein solcher Ausschluss, mit dem man den Abschluss wertvoller machen zu wollen vorgibt, den Abschluss dann richtig abschliesst. Da wird dann die Ausbildung fertig gemacht, in verschiedener Hinsicht. Nicht nur wird die Ausbildung fertig gemacht, in dem Sinn dass sie immer eine des Anfangens ist. Darüber hinaus hat dieses «Fertigmachen» bei uns am PSZ des öfteren seine doch sehr hässliche Seite gezeigt, wenn Einzelne wirklich fertig gemacht wurden. Man müsste sich wirklich fragen, inwieweit dieses Fertigmachen nicht mit einem Verständnis von Abschluss zusammenhängt, das wieder mehr an Terrain gewonnen hat.
Und das würde dem Auffliegen in der Tat noch eine weitere Bedeutung verleihen, nämlich die des Fliegens, des Auf-Fliegens, des Abhebens. Weil das Fliegen schon auch von solchen Zwängen befreit und befreien kann und damit das Auffliegen dessen, dass man fehlbar ist, wieder zum Fliegen verhelfen kann. Weiter ist aber auch nicht zu vergessen, dass Theorie durchaus mit dem Flug, mit dem Vogelflug zu tun hat, nicht einfach deswegen, weil man dann über den Dingen steht, sondern weil man sehr viel mehr sehen und immer noch etwas anderes sehen kann und damit plötzlich noch viel mehr in den Dingen ist, die dann eben nicht nur das eine, sondern viele sind. Im Übrigen hat dieses Fliegen durchaus mit dem zu tun, was Freud «gleichschwebende Aufmerksamkeit» genannt hat, der man also mit dem Auffliegen näher kommen könnte, die auch ein heisser Flug ist.
Prüfungsträume
Um ganz im Sinne der Assoziationsbildung die Verbindung von abschließen und anfangen auch von der Gegenrichtung her zu denken – also Pendant dazu, dass jeder Abschluss auch immer (noch) ein Anfang ist und mit dem Anfang, der zum Abschluss führte, verbunden ist.
Diesen Gedanken konsequent weiterdenken heißt dies aber auch, dass jeder Anfang bereits ein Abschluss ist, bereits abgeschlossen ist. Das ist im Falle der Promotion ein Wunsch, der Wunsch zu promovieren bzw. die Arbeit zu machen, die zur Promotion führt. Dieser Wunsch ist bereits fertig gemacht, insofern er nämlich die volle Macht des Wunsches besitzt: zu treiben (zur Verzweiflung und zum Lachen), anzutreiben (gegen Hindernisse und zum Ziel – und darüber hinaus, er bleibt nämlich fertig gebildet, wenn der Abschluss erreicht ist, der ja, wie du sagtest ein Anfang ist. Warum? Weil der Wunsch immer noch fertig ist.), zu verwirren (sich und andere). Unabgeschlossen ist er natürlich darum, weil er nicht erfüllt ist und im Zuge des Prozesses neue Assoziationen hinzukommen, die ihn auch abwandeln. Diese Polarität in der Zeit zwischen Wunsch als Anforderung zu arbeiten und Wunsch im Sinne einer irgendwie gearteten (nie perfekten) Wunscherfüllung, haben Ralf Binswanger und Lutz Wittmann über das Verhältnis von Traumtheorie und Metapsychologie metapsychologisch sehr gut herausgearbeitet.
Und dementsprechend gilt das auch für die Weiterbildung. Es geht doch nicht nur darum, dass man hier einen Abschluss macht, wobei von einigen überprüft werden muss, ob die Kandidatin es geschafft hat, diesen zu erreichen, und dementsprechend den Prüfenden die Aufgabe zufällt ggf. festzustellen, dass der Kandidat noch nicht fertig ist. Es ist im Gegenteil so, dass die Kandidatin hat bereits abgeschlossen hat, er ist bereits fertig und es ist aufgaben der überprüfenden festzustellen inwiefern dies im Einzelfall genau der Fall ist. Das ist so im mehrfachen Sinne: 1. Hat sie ein Studium abgeschlossen, er ist also nicht einfach ein Jugendlicher, der noch keine Ahnung vom Seelenleben hat und dieses jetzt erst in der Psychoanalyse kennenlernen muss: es sind abgeschlossene Akademiker, die einen neuen Anfang suchen. 2. Wer durch das Psychologie oder Medizinstudium gegangen ist und trotzdem zum PSZ geht, beweist durch diesen Akt allein, dass sie einen fertig gebildeten und genuinen Wunsch hat Psychoanalytiker zu werden. Diese beiden Studiengänge lassen nichts unversucht den Studentinnen klar zu machen, dass Psychoanalyse esoterisches Teufelszeug ist und man dies auf keinen Fall tun soll, ja am besten sollte man das sogar verbieten. Und dann kommt obendrein dazu, dass es die teuerste und langwierigste Weiterbildung zum Psychotherapeuten ist, die man machen kann. Wer dann trotzdem zum PSZ geht ist entweder vollkommen debil (was man ausschließen kann, weil sie ja ein Akademiker ist und Akademiker sind nicht vollkommen debil) oder aber hat einen starken Wunsch, der eben Hindernisse überwindet und auch andere verwirrt: „Warum geht sie ans PSZ? Ist er noch bei Trost?“ Diese letzte Frage scheint glaube ich auch viele bei der WBK umzutreiben nur im Form eines Misstrauens, das sich dann in einem argwöhnischen Überprüfen äußert, ob sie wirklich die richtige Motivation hat, wirklich richtig psychoanalytisch arbeitet oder nicht doch etwa…ja, was?
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Und damit im Zusammenhang stehend ein tiefes Misstrauen. „Sind diejenigen, die die Weiterbildung machen wirklich richtig an Psychoanalyse interessiert? Arbeiten sie richtig psychoanalytisch? Beschäftigen Sie sich eigentlich richtig mit Psychoanalyse?“
Man kann diesen Zweifel in vielen Aussagen, Handlungen und auch Vorträgen von WBK-Mitgliedern rausschmecken. Man fragt sich woher dieser Zweifel eigentlich kommt. Einige Aussagen, die mir von anderen Teilnehmenden in Weiterbildung über ihre Standortgespräche zu Ohren kamen, könnte man meinen, dass es vielleicht damit zu tun hat, dass die Weiterzubildenden von der Universität kommen und dort durch das Psychologie-Studium gegangen sind, also einem Studium, das die Studenten gegen die Psychoanalyse aufzuhetzen sucht. Die Weiterzubildenden werden argwöhnisch betrachtet, weil sie ja da hindurchgegangen sind. Es wäre zumindest eine naheliegende Verschiebung der Wut auf die Uni auf jene, die sie eben erst verlassen haben. Wenn man hier aber einen Schritt weiter denkt, dann ist dies doch gerade das, was im Gegenteil die Grundlage für ein tiefes Vertrauen sein könnte. Wer durch dieses Studium gegangen ist und sich trotzdem für das PSZ entscheidet, der hat offensichtlich sich eben nicht gegen die Psychoanalyse aufhetzen lassen und hat offensichtlich ein irgendwie geartetes Interesse an einer lebendigen Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche und die Bereitschaft weiter hinzuhören, wo andere nicht hinhören. Mit dem Eintritt allein beweist man heute schon die Richtigkeit seiner Motivation. Das ist der Vorteil der heutigen Zeit! Aber stattdessen gibt es Misstrauen, wo es ein totales Vertrauen geben müsste. Ich denke, weil hier einfach dieser eine gedankliche Schritt nicht gegangen wird.
Vielleicht ist der Grund auch ein anderer. Das Wort „Praxiserfahrung“ ist mindestens ein geflügeltes Wort ja irgendwie vlt eine Kompensation für die Ausgrenzung, die man ansonsten in der akademischen Welt erlebt, und vielleicht auch für den Mangel an Fähigkeit, seine eigene Praxis verbal zu reflektieren und für andere nachvollziehbar zu machen. Man ist ja in der Arbeit mit Patienten schlussendlich immer allein – allein mit dem Patienten. Einfach wegen der Tatsache, dass man in einem intimen Raum arbeitet, der abgeschlossen ist und sein muss. Es gibt etwas, das sich immer der Mit-Teilung entzieht, egal wie gut man darin ist, sich sprachlich auszudrücken. Wenn man diese Fähigkeit nicht so hat, wie man sie gerne hätte, dann liegt der Selbstvorwurf recht nahe, es liege an diesem Mangel und hätte man nur die Ausdruckfähigkeit der anderen, dann hätte man ihn nicht. Das muss natürlich eine sehr große Kränkung bedeuten. Die Fähigkeit theoretisch zu reflektieren, die manche haben, ist darum eine unbewusste Kränkung. Das Beschwören der Praxis und Praxiserfahrung lindert diese Kränkung, indem man sich versichert: „Ich muss garnicht teilen können, was ich mache, ich muss es einfach machen können.“ Aber diese Besänftigung ist genauso falsch wie die Vorstellung, es sei prinzipiell möglich, das was man tut, vollständig zu teilen. Man muss es versuchen, nicht weil es gelingen kann, sondern weil man scheitern muss. Aber dieses Scheitern ist eben das, woraus das Wissen in der Psychoanalyse gewoben ist. Und darin unterscheiden wir uns übrigens kein bischen von anderen Naturwissenschaften, die stets immer nur Annäherungen an die Wirklichkeit liefern können. Aber just dieses Annähern verlangt, dass es ein theoretisches Reflektieren der eigenen Praxis gibt. Der vorherrschende Praktizismus ist schlussendlich eine Abwendung von dieser Schwierigkeit. Und eine sehr schwerwiegende, denn wer von der Uni kommt, der hat eben notwendiger Weise noch keine Praxiserfahrung. Wenn man aber seine eigene Legitimation allein auf Praxiserfahrung gebaut hat, dann ist jemand, der die Weiterbildung beginnt, jemand dem jedwede Legitimation abgeht. Und wer keine Legitimation hat, der muss natürlich sehr genau überprüft werden. Und dies würde sich nicht übel mit der phantasmatischen Rolle, die das BAG in den Darstellungen vieler bekommen hat, vertragen. Da ist diese Figur, die erkennen könnte, dass wir keine Legitimation haben oder Leuten Legitimation erteilen, die sie garnicht haben. Was wenn das rauskommt? Wir vergeben Scheinlegitimation. Wenn das das BAG erfährt! Ja, was wäre dann? Da draussen laufen Therapeuten durch die Achtsamkeitstrainings oder kognitive Neubewertungen mit Patienten einüben und die haben auch eine Approbation. Die eigenössische Anerkennung ist grundsätzlich eine Scheinlegitimation. Allen voran deswegen, weil die Psychologen der Universitäten ihren Einfluss darauf so stark ausgebaut haben, dass man Psychologie studieren muss. Und der Abschluss in Psychologie ist die Scheinlegitimation schlechthin! Man trägt den Titel Master of Science: dieser Abschluss ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist, aber er wird eben anerkannt.
Darum auch hier einfach konsequent zu Ende denken: Selbst wenn wir jemanden die Approbation geben, der „nicht richtig“ psychoanalytisch arbeitet, sellt sich die Frage, wo das Problem ist. Die Person versucht es doch wenigstens und allein das ist doch schon viel heilsamer als jedes Achtsamkeitstraining. Und wer kann schon von sich behaupten, dass er genau wisse was richtig und falsche Psychoanalyse ist?
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Und ist das nicht auch ein Wunsch an eine Analyse: dass die Defense zusammenbricht, dass sie nicht standhält, dass nicht mehr ewig Zeit bleibt sondern ziemlich wenig, dass man ins Schwitzen kommt.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Aber ist das ein Wunsch an die Weiterbildung? Oder an ein Gespräch, was ja die Standortgespräche sein sollen? Will man da zusammenbrechen?
Und nein, das Ziel der Psychoanalyse ist nicht, dass die „defense“ also die Abwehr zusammenbricht, das wäre viel zu undifferenziert. Häufig ist das Ziel gerade das, dass eine Abwehr überhaupt entstehen kann. Oder das Ziel liegt gerade darin, dass ein Angriff möglich wird also eine Offensive möglich wird.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Ich kann hierzu einen Satz beisteuern, der mir im Rahmen des sogenannten Standortgespräch gesagt wurde:
„Es geht hier nicht darum, was Sie dazu meinen! Es geht hier darum, dass wir Ihnen sagen, was wir sehen und Sie haben das zur Kenntnis zu nehmen.“
Assoziationen Dissoziationen – allgemein
In „Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung“ schreibt Freud:
„Man darf daher sagen, die psychoanalytische Theorie ist ein Versuch, zwei Erfahrungen verständlich zu machen, die sich in auffälliger und unerwarteter Weise bei dem Versuche ergeben, die Leidenssymptome eines Neurotikers auf ihre Quellen in seiner Lebensgeschichte zurückzuführen: die Tatsache der Übertragung und die des Widerstandes. Jede Forschungsrichtung, welche diese beiden Tatsachen anerkennt und sie zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit nimmt, darf sich Psychoanalyse heißen, auch wenn sie zu anderen Ergebnissen als den meinigen gelangt.“ (GW X: 54)
Dazu ein paar Gedanken:
Die psychoanalytische Theorie ist ein Versuch. Ein Versuch eines Versuchs. Die psychoanalytische Theorie ist demnach nicht nur ein, sondern ein doppelter Versuch. Und sie ist nicht einfach ein Versuch, die Leidenssymptome eines Neurotikers auf ihre Quellen in seiner Lebensgeschichte zurückzuführen, sondern der Versuch, zwei Erfahrungen verständlich zu machen, die dabei auftreten, nämlich die Tatsache der Übertragung und des Widerstandes. Damit wird nicht nur das Feld der Übertragung weit geöffnet, sondern vor allem das, was Psychoanalyse ist. Bei ihr geht es um weitaus mehr als um die Leidenssymptome des Neurotikers, auch wenn diese der Ausgangspunkt, die Quelle der Erfahrung sind. Diese hat sich von ihrer Quelle gelöst, was bereits eine Übertragung darstellt.
Und mit der Grosszügigkeit geht es gleich weiter. Wenn Freud schreibt, dass jede Forschungsrichtung sich Psychoanalyse nennen darf, die diese beiden Tatsachen anerkennt, auch wenn sie zu anderen Ergebnissen als den seinigen gelangt, dann spricht er seinerseits eine ziemlich weitgehende Anerkennung aus. Es ist eine Anerkennung, die den Widerspruch, den Widerstand, mit einschliesst und die Übertragung damit in den Gegensatz von Anerkennung und Widerspruch setzt.
Die Anerkennung des Widerspruchs wird zum Widerspruch der Anerkennung. Der doppelte Versuch ist Versuch einer Verdopplung, die sich zudem in sich dreht. Denn es geht nicht einfach um eine Verdopplung, sondern um die Verdopplung eines Gegensatzes. So wird das «zurück» im «zurückführen», zu einem, das in beide Richtungen geht.
Weiter ist es offensichtlich nicht nur so, dass der Neurotiker überträgt. Wenn nämlich Freud die Symptome auf die Lebensgeschichte zurückführen will, nimmt vor allem er eine Übertragung vor. Ist also Freud der Neurotiker, von dem er spricht, wird damit die psychoanalytische Theorie zur Neurose?
So geht Freud dem Neurotiker grossartig und wie gesagt grosszügig voraus. Er setzt zu sich selbst in Widerspruch und macht das zur Psychoanalyse. Die falschen Verknüpfungen – als eine der Definitionen der Neurose – werden so zu richtigen. Und die Psychoanalyse zu einem Unterfangen, dass in den falschen Verknüpfungen die richtigen sieht. Das macht sie aus, die Psychoanalyse. Sie führt uns dorthin, wohin wir nicht wollen. Das hat schon Johannes gesagt, aber das macht ja nix, weil es nicht einfach um die Quellen geht, sondern um das Spiel von richtig und falsch, um die Verdopplungen und Wendungen und ihre Übertragungen. Und darum, falsch zu liegen. Das ist doch eine in der Tat sehr grosszügige Ermunterung von Freud zurück in die Gegenwart: Man muss es nicht richtig machen.
Assoziationen Dissoziationen – allgemein
Selbstverständlich ist Freud der Neurotiker. Und das war ihm beim Schreiben mit Sicherheit bewusst. Die witzige Wendung, die du dem gibst, wenn du fragst, ob nicht Freud der Neurotiker ist, liegt in der Intention des Autors. D.h. du hast den Witz für uns verstanden, danke!
Oder wer will ernsthaft behaupten, Freud habe sich nicht selbst als Neurotiker gesehen, wenn man einerseits Freuds Fähigkeit zur genauen Analyse psychischer Phänomene (insbesondere bei sich selbst – siehe Die Traumdeutung) und andererseits Freuds Vielzahl an offenkundigen und ja geradezu schreienden neurotischen Symptome (siehe Briefwechsel mit Fliess) betrachtet?
Die Frage ist nur: haben alle so viel Sinn für Humor, wenn es darum geht festzustellen, was jemand mit einem Text aussagen will? Sicherlich nicht jemand, der bei einem Gespräch über einen Text, die Meinung des Anderen nicht hören und zu Wort lassen will.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Auch diese Apotheke in Konstanz hat Humor gezeigt:
Unzweifelhaft hat sie Korrektheit bewiesen, da ja das «M» da nicht mehr sein darf. Sie hat es sofort fallen lassen, das «M» ist zum Abfall geworden, von dem wir ja wissen, dass er nicht das Unwichtigste von uns ist. Aber weg ist weg. Stattdessen haben wir nun die Ohren und werden darauf hingewiesen, dass wir diese zu spitzen habe. Die Apotheke wird ganz sicherlich das nötige Medikament dazu führen – eines für spitze Ohren. Und es ist auch klar, was man da hören muss: Darauf hat ja schon Mladen Dollar, aber längstens vor ihm die Schallplattenfirma Deutsche Grammophongesellschaft und die Emi mit dem wunderbaren Bild hingewiesen, das sie zu ihrem Logo gemacht hat, His Master’s Voice.
Wir müssen also die Ohren spitzen und zum Hund werden, der sich natürlich als Spitz entpuppt – dies natürlich ganz ohne Gewehr. Mit dem Spitz muss man allerdings auch wieder aufpassen, weil zu spitz dürfen die Ohren ja auch nicht sein, denn sonst könnten sie ja anecken und schon gleich gar nicht sollten sie sexuelle Konnotationen auslösen, die man dann mithören könnte.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
„Die technischen Regeln, die ich hier in Vorschlag bringe, haben sich mir aus der langjährigen eigenen Erfahrung ergeben, nachdem ich durch eigenen Schaden von der Verfolgung anderer Wege zurückgekommen war. Man wird leicht bemerken, daß sie sich, wenigstens viele von ihnen, zu einer einzigen Vorschrift zusammensetzen. Ich hoffe, daß ihre Berücksichtigung den analytisch tätigen Ärzten viel unnützen Aufwand ersparen und sie vor manchem Übersehen behüten wird; aber ich muß ausdrücklich sagen, diese Technik hat sich als die einzig zweckmäßige für meine Individualität ergeben; ich wage es nicht in Abrede zu stellen, daß eine ganz anders konstituierte ärztliche Persönlichkeit dazu gedrängt werden kann, eine andere Einstellung gegen den Kranken und gegen die zu lösende Aufgabe zu bevorzugen.“
„Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung“
Den Geist dieser Worte fortsetzend könnte man sagen:
Dementsprechend möchte ich demjenigen, der in Zukunft Ärzte und Laien in der psychoanalytischen Technik ausbilden möchte, sich zur Aufgabe zu machen, den Lernenden nicht die Technik, die man für seine Individualität gefunden hat, aufzudrängen, als ob es eine unfehlbare Technik wäre, wie dies in der Chirurgie manchmal der Fall ist – wobei auch hier dem einzelnen Operateur noch genügend Freiheit verbleibt sich die Technik so anzueignen, wie es ihm seine individuelle Motorik gestattet. Vielmehr sollte der Lehrer versuchen den Lernenden bei der Herausarbeitung seiner Technik begleiten, indem er ein Gespräch anbietet, in dem der Lernende die Entscheidungen, die er in der klinischen Situation getroffen, überdenken und verstehen kann, ja vielleicht gerade dadurch überhaupt als solche erkennen. Es ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Lehrer seine eigene Technik als einen Erfahrungsschatz präsentiert aus dem sich der Lernende bedienen kann; allein obliegt es dem Urteil des Lernenden, welche Teile dieses Schatzes er sich aneignen will. Es ist in jedem Fall davon abzuraten als Lehrer den Wunsch zu folgen, den Lernenden vor Fehlern behüten zu wollen. Allein schon, weil dies eine Unmöglichkeit darstellt und sich der Lehrer damit eine Aufgabe stellt, an der er scheitern muss, mit allen Konsequenzen, die dies mit sich bringt. Aber mehr noch und auch besonders aus der Erwägung heraus, dass man, wie der Volksmund weiß, aus Fehlern schlau wird. Selbst wenn also das Bewahren vor Fehlern möglich wäre, würde man damit den Lernenden eben die Fähigkeiten vorenthalten, die wir geneigt sind als ein technisches Wissen zu bezeichnen, und ihn schlussendlich vom Lehrer abhängig machen anstatt ihn zum selbstständigen Kliniker auszubilden. Vielleicht ist das, was wir Technik zu nennen gewohnt sind, psychologisch betrachtet, nichts weiter als die zur Handlungsgewohnheit geronnene Schlauheit.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Ich habe in meinem Standortgespräch I einen sehr lehrreichen Satz gesagt bekommen, von dem ich viel gelernt habe.
„Unsere Aufgabe ist es, Ihnen gegenüber den Staat zu vertreten.“
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Ich denke am PSZ herrscht derzeit eine grosse Dissoziation in der Weiterbildung vor. Einerseits gibt es da den allgemeinen Seminarbetrieb, in dem man allgemein das vorherrschend findet, was man als den Geist des PSZ bezeichnen könnte und das sich doch im Grossen und Ganzen mit der allgemeinen Selbstdarstellung des PSZ deckt. Also ein allgemeiner offener Raum, in dem wild in alle möglichen Richtungen gedacht wird. Manchmal vielleicht etwas zu wild für den Geschmack der Einen oder des Anderen, aber diese Wildheit sichert doch, dass prinzipiell Jede und Jeder Gedanken und Sichtweisen teilen und einen Platz finden kann. Von anderen Teilnehmerinnen in Weiterbildung habe ich bisweilen den Wunsch vernommen, dass es doch Kurse geben möge, die die Grundlagen vermitteln sollen – ein Wunsch, dem meines Wissens nach aber auch nachgekommen werden wird. Aber alles in allem ist der Weiterbildungsbetrieb doch so beschaffen, dass man seine Nische finden kann. Schlussendlich ist ja die Weiterbildung (d.h. der theoretische Teil derselben) ohnehin ein Prozess den man selbstständig bestreiten muss. Und der offene Geist des PSZ, bei dem das Dogma herrscht, dass kein Dogma herrschen darf, stellt dann doch sicher, dass man sich doch früher oder später traut seine Ansichten zu teilen und so ins Gespräch zu kommen.
Und dann wären dann die vom Curriculum vorgegebenen Standortgespräche und das Kolloquium. Hier taucht dann häufig für viele, zumindest für viele Kolleginnen in Weiterbildung, ein vollkommen anderes Gesicht auf, das mit dem üblichen Geist des PSZ nichts mehr gemein hat, dafür aber gemein ist. Statt einer allgemeinen Offenheit für verschiedene Sichtweisen und einer wohlmeinenden Unterstützung, die man als ein, „du schaffst das“, bezeichnen könnte, bekommt man eine anherrschende Zurechtweisung, die man mit, „du kannst gar nichts“, zusammenfassen könnte. Es mangelt hier auch an einem spürbarem Bemühen darum, die Teilnehmerin in Weiterbildung bei ihrem Standpunkt abzuholen. Wenn die Gesprächsleiter der WBK eine Textpassage des Portfolios nicht verstehen, wird dies sofort als eine Schwäche des Textes ausgelegt und nicht etwa versucht mit der Autorin des Textes im Gespräch herauszuarbeiten, was die Passage denn meint. Und das alles wäre sogar noch verzeihbar, wenn sich dazu nicht ein eklatanter Mangel an Freundlichkeit, Respekt und elementaren zwischenmenschlichen Umgangsformen gesellen würde. Um nur einige zu nennen: ein wiederholtes Unterbrechen des Gegenübers, allgemeines Anherrschen, Unterstellungen und Suggestionen von psychischer Pathologie und gänzliches Ignorieren von vorgebrachten Erklärungen; und schliesslich wird die Weiterzubildende dazu genötigt von ihrem eigenen Leidensprozess zu berichten. Es geht mir hier nicht um eine Kritik an den Inhalten der Positionen oder darum, dass die Gesprächsleiter der WBK gewisse Dinge an den Portfolio-Texten als schlecht einstufen. Das gehört dazu, keine Frage, das hat aber auch jede und jeder, spätestens in Laufe seines Studiums bereits gelernt, dass jemand anderes einen Text für nicht genügend einstuft. Mir geht es darum, dass ein Verhalten gezeigt wird, das einfach inakzeptabel ist und schlichtweg eine Form des Machtmissbrauchs darstellt, was einer psychoanalytischen Institution, die sich wie das PSZ so sehr zur Offenheit, Pluralität und Freiheit von Hierarchie bekennt, unwürdig ist. Darum laufen Erklärungen der Art, dass Psychoanalyse zu lernen auch immer ein Prozess ist, bei dem man sich um eigene persönliche Reifung bemühen und lernen muss auch Unangenehmes zu konfrontieren, und dass man auch lernen muss, dass der eigene Wunsch nach Anerkennung frustriert werden kann, vollkommen ins Leere. Das Problem ist hier nicht Anerkennung sondern die Tatsache eines existierenden Verhaltens, dem schlichtweg die elementare menschliche Sittlichkeit abgeht. Das ist keine Kritik auf der Eben von Psychoanalyse sondern von elementarem menschlichen Verhalten.
Dem muss natürlich eine wichtige Relativierung angehängt werden, die aber ihrerseits vielleicht ein Problem aufzeigt. Das eben Gesagte gilt natürlich nicht für alle Mitglieder der WBK; überhaupt ist die Formulierung „die WBK“ problematisch. Ich für meinen Teil hatte mit zwei anderen Teilnehmerinnen der WBK mein Eintrittsgespräch. Das Eintrittsgespräch fand ich im Gegensatz zu den beiden Portfoliogesprächen sehr gut und würde auch den beiden Teilnehmern in der WBK gerne dafür gratulieren. Da hatte ich das Gefühl, dass sich zwei Leute Zeit nehmen und die Mühe machen, mir zuzuhören und mich in meiner jetzigen Situation abzuholen. Ich hege keinen Zweifel, dass diese beiden die Standortgespräche zumindest versuchen in ähnlicher Weise durchzuführen und es ihnen häufig genug auch gelingt. Aber es gibt aber zwei andere Teilnehmerinnen der WBK, von denen ich das oben Geschriebene schreiben muss und von Kolleginnen und Kollegen habe ich sehr ähnliche Erfahrungen mitgeteilt bekommen. Und diese Problematik (dass ein bis zwei Teilnehmer der WBK sich immer wieder in Ton und Wortwahl vergreifen und Weiterzubildende versuchen niederzumachen) muss, wenn nicht allen so doch den meisten, übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der WBK bekannt sein. Warum sie nichts dagegen tun, kann ich mir gut vorstellen. Gruppen, die mit Führungsaufgaben betraut sind, wie die WBK dies ist, neigen dazu eine Gruppenkohäsion zu entwickeln, durch die es dann ungeheuer schwer wird, dass innerhalb der Gruppe selbst, jemand ein Problem anspricht oder von den übrigen Gruppenmitgliedern konfrontiert wird. Wer führt schon gerne Streit in seiner Arbeitsgruppe herbei, vor allem dann, wenn damit garnicht das eigene Interesse verteidigt wird. Also hört, sieht und sagt man nichts und belässt es beim bestehenden Frieden – auch wenn es ein Frieden ist, unter dem dann andere leiden müssen. Aus dieser Gruppenkohäsion erklärt sich dann möglicherweise auch, warum die Arbeitsweise der WBK wenig transparent ist. Der und die Einzelne möchte wohl in der Regel nichts nach aussen dringen lassen, um nicht in den Fokus der Kritik der anderen Gruppenmitglieder zu geraten. Auch das ist menschlich nachvollziehbar, aber trägt eben zur Zementierung von Zuständen bei, die zum Schaden der Weiterzubildenden sind.
Es gäbe aber mindestens zwei Massnahmen, die sich jederzeit einführen liessen und die dieses Problem beseitigen könnten:
1. Man könnte das Mandat von Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der WBK zeitlich begrenzen (auf ein Jahr z.B.) und sie dann von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Weiterbildung wählen lassen.
2. Man könnte, nein müsste (denn dies ist in jeder höheren Bildungsinstitution standard), zu jedem Standortgespräch ein Protokollführer bestimmen, der aus dem Stand des Weiterzubildenden ist, d.h. einen andere Weiterzubildenden oder ein Teilnehmer, der vom Weiterzubildenden nominiert wird.
Mindestens die zweite Änderung könnte die WBK morgen beschliessen, womit ein grosses Problem, das derzeit existiert, vielleicht nicht gänzlich gebannt aber doch zumindest in seinem Ausmass deutlich eingeschränkt wäre. Oder die TV beschliesst es. Egal wer: es muss sich etwas tun, weil diese dissoziierte Zweigesichtigkeit, die derzeit am PSZ herrscht, ein inakzeptabler Zustand ist. Es ist wohl auch nicht auszuschliessen, wieso so viele mit dem Abschluss der Weiterbildung aufhören sich am PSZ aktiv zu beteiligen.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Zu dieser Frage wollen wir mal einen derzeit aktuellen Anlass heranziehen, der Licht darauf wirft, wo Dinge im Argen liegen: dass die WBK und die SL sich derzeit die Wirklichkeit in der Weiterbildung zurechtdeuten und damit verschleiern (wahrscheinlich allen voran vor sich selbst), dass sie sich Macht angemasst haben, kann man aus ihrer Begründung herauslesen, mit der ein konkreter Antrag abgewiesen wurde (eine ziemlich gewagte Massnahme, wenn man bedenkt, dass die TV das höchste Organ des Vereins ist und sich die SL damit anmasst über der TV zu stehen; die Begründung, dass der Antrag formal nicht haltbar ist, darf man als gewagt bezeichnen, nicht zuletzt darum, weil dies festzustellen die Aufgabe von Gerichten und nicht der SL ist).
„In unserem Sprachgebrauch würden wir das, was ein Mitglied in einem Text als «Zurückweisung» benennt, als Rückgabe der Arbeit zur Überarbeitung verstehen. Das ist etwas anderes als die Ablehnung der Arbeit. In der Regel bedeutet die Ablehnung einer Arbeit, dass sie nicht angenommen wurde.“
Ja aber genau das ist doch genau das, was die WBK wiederholt gemacht hat! Wenn eine Arbeit zurückgewiesen wird mit dem Auftrag sie grundsätzlich zu überarbeiten, weil sie den Anforderungen, die an sie gestellt sind, nicht genüge – was tatsächlich schon passiert ist -, dann ist das doch eben eine Ablehnung der Arbeit. Man muss schon juristische Gedankenakrobatik leisten, um einen praktisch relevanten Unterschied in einer Rückgabe zur kompletten Überarbeitung von einer Zurückweisung zu entdecken. (Erinnert mich ein wenig an den Witz vom Hispanak. Hispanak ist ein real existierendes Fabelwesen: ein Pferd mit dem Kopf eines Hasen; und dem Körper eines Hasen. Wird es erschreckt, galoppiert es davon, wobei mit Galopp ein Rennen mit Haken gemeint ist.)
„Unseres Erachtens hat also die WBK keine inhaltliche Änderung vorgenommen, sondern beurteilt die Arbeiten sowohl im quantitativen als auch im qualitativen Bereich so, wie sie dies von Anfang an getan hat. Der Unterschied ist wohl der, wie es [ein ehemaliges Mitglied der WBK] beschreibt, dass dabei Erfahrungen gesammelt wurden, die es ermöglichen, dass die Mitglieder der WBK die Verantwortung einer Beurteilung zunehmend übernommen haben.
Nehmen wir einmal an, wir würden den qualitativen Teil gleich behandeln wie den quantitativen, so würde das bedeuten, dass bestätigt wird, dass die schriftliche Arbeit eingereicht wurde, sie aber zu lesen, würde dann ja keinen Sinn mehr machen.“
Ob die WBK damit inhaltliche Änderungen vorgenommen hat, ist eine Frage, die nicht die SL sondern die TV oder allenfalls ein Gericht beurteilen muss. Aber jenseits von juristischen Formalitäten ist das vollkommener Unsinn, was die SL da geschrieben hat. Die Standortgespräche sind doch als „Gespräche“ deklariert, die dazu dienen gemeinsam den Lernprozess zu reflektieren. Der Text dient dabei als Grundlage, als gemeinsame Referenz. Man könnte z.B., wenn man über die entsprechende Kreativität (böse Zungen würden ergänzen: exegetische Kompetenz) verfügt, den Text als eine dritte Person behandeln – gewissermassen eine konstruktive Dissoziation zwischen Autor und Gesprächsteilnehmerin, die gegenübersitzt, vornehmen – über die man sich austauscht und gemeinsam ins Gespräch kommt. Vielleicht kommt man ja über Umwege dahin, dass die Weiterbildende plötzlich dem Autor widerspricht, dann haben wir einen Gespräch zwischen diesen beiden durch Dissoziation hergestellten Personen, die in Assoziation treten. Wem das hier als eine „intellktuelle Akrobatik“ erscheint, der möge sich das doch bitte konkret vorstellen. Wie würde man das selber erleben? Also mir ist das schon passiert und ich musste lachen, oder auch mal etwas unheimlich erschaudern. Das sind hochemotionale Momente, in denen man plötzlich merkt, dass auch im eigenen Denken etwas herumspukt bzw. Schabernak treibt.
Das war jetzt alles nur ein Beispiel, das vielleicht mehr für mich und weniger für andere funktionieren könnte, darum ein anderes Beispiel. Man könnte gemeinsam vom Text ausgehend die Gedanken des Gesprächs weiter führen. Wohin kommen wir, wenn wir diesen oder jenen (Ab)satz weiterspinnen? Was für Fragen ergeben sich dann? Fragen ist ein gutes Stichwort: Man könnte als Gesprächsführer von WBK-Seite her auch einfach konsequent in der Position des Fragens bleiben (ich hege die Vermutung, dass die eine oder der andere das auch so handhabt) und so nach sokratischem Vorbild noch etwas herausholen.
Man kann auch den Text nur als Anstoss nehmen und überhaupt mal ein ganz allgemeines Gespräch führen. „Wie läuft es mit den Kursen?“ „Wie läuft es in der Arbeit?“ Man kann so viel machen mit dem Text ohne die Möglichkeit zu besitzen ihn überarbeiten zu lassen. Provokativ gesagt, um mal die Weite des Horizonts, den die Kreativität spannen kann, aufzuzeigen: man könnte ihn Ausdrucken, mit dem Papier Figuren falten und mit diesen ein Psychodrama machen. Das wäre allemal konstruktiver als was manche Mitglieder der WBK auf Grundlage der, wie sie meinen, erworbenen Fähigkeit zu beurteilen, ob ein Text „Anforderungen“, die nie explizit formuliert wurden, erfüllt oder nicht, in den Standortgesprächen machen, wodurch sie das Wort „Gespräch“ ad absurdum führen.
Zumal die WBK überhaupt nicht davon sprechen kann, dass eine Arbeit die Anforderungen nicht erfüllen würde. Die schriftlichen Vorgaben an den Portfolio-Text sind derart unspezifisch, vage und opak, dass so ziemlich jeder Text, der einen eigenen Standpunkt vorbringt, als die Aufgabe erfüllend bezeichnen kann – und muss. Es werden dann natürlich ad hoc, also am Standortgespräch selbst, Anforderungen formuliert, von denen aber der Weiterbildende vorher nichts wusste. Dazu als Nebenbemerkung: Wenn die Anforderungen nie schriftlich festgehalten wurden, ist es schlicht unmöglich so etwas festzustellen. Dann handelt es sich lediglich um Willkür. Es gibt einen guten Grund weswegen ein römischer Rechtsgrundsatz, der noch heute gilt, lautet, dass Normen schriftlich festgehalten werden müssen, also schriftlich gesetzt sein müssen: daher das Wort „Ge-setz“. Und daran ändert auch keine theoretische Paradeübung auf Grundlage von Axel Honneth nichts. Plötzlich über Probleme der Anerkennung zu sinnieren lenkt lediglich von der Tatsache ab, dass hier elementare Grundsätze des Rechts nicht eingehalten werden.
Kurzum: Es ist eben nicht notwendig, dass ein Text abgelehnt werden kann, damit es Sinn macht, sie zu lesen. Und um das Beispiel der Verteidigung der Dissertation heranzuziehen. Dissertationen werden nur äusserst selten wirklich zurückgewiesen. Das ganze Manöver oder Ritual der Verteidigung ist nicht wirklich eine Verteidigung im Sinne eines tatsächlichen Angriffs, sondern es ist ein klären, ob der oder die Einreichende die Gedanken, die er oder sie vorgelegt hat, auch tatsächlich beherrscht (in dem Masse, dass man davon ausgehen kann, dass er der Autor ist). Die Möglichkeit der Ablehnung ist wie die Rolle der Gewalt auf der Seite des Mächtigen: sie wirkt gerade dann am besten, wenn sie nicht verwendet wird. Permanente Gewaltanwendung entlarvt einen machtlosen Mächtigen.
Darum abschliessend zur Frage der SL: „Möchten das die Weiterzubildenden, die viel Zeit und Arbeit in die Texte gesteckt haben, wirklich?“
JA, DAS WOLLEN WIR!
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Im Kinderbuch Der rote Luftballon findet Pascal diesen als Freund. Plötzlich taucht er auf, dieser rote Luftballon, begleitet ihn auf seinen Wegen, wartet vor dem Schulhaus, fliegt neben dem Bus her, weil er da nicht rein darf. Und mit ihm findet er sogar eine kleine Freundin – mit einem gelben Luftballon. Traumhaft natürlich. Aber dann kommen die anderen Jungs mit ihren Steinschleudern, passen ihn mit seinem Freund auf einem Feld ab und natürlich passiert es: Sie treffen ihn und es ist aus mit dem roten Luftballon.
Beim Open House des Theater Neumarkt vor inzwischen fast 2 Jahren haben wir einen riesengrossen Strauss von Luftballonen aufgeblasen. Das war keine leichte Arbeit, immer wieder ist einer mit lautem Knall zerplatzt, wir erschraken und mussten dann lachen. Aber es ist gelungen und wir haben sie stolz aus dem Haus auf die Strasse gezogen und uns dort mit ihnen neben unserer Traumstation aufgestellt. Man sollte sie sehen, die Luftballons, die wie Träume bunt in der nachmittäglichen Sonne leuchteten, beinahe schon glitzerten.
Und dann war es so weit: Auf «Los» ging’s los und wir liessen sie los und sie stiegen auf in den blauen Himmel, immer höher, immer höher, die einen nach links, die anderen nach rechst, die einen schneller, die anderer ein wenig hintendrein – es war ein wunderschönes Bild. Aus dem roten Luftballon wurden viele bunte und sie schwebten mit unserer Aufmerksamkeit und den sehnsüchtigen Blicken davon – natürlich gleichschwebend.
Vorher hat gab es noch eine wunderschöne Geschichte dort. Wir hatten ja unsere Traumstation aufgestellt, ganz psychoanalytisch mit Couch und Sessel, alles ein wenig von einem Paravent verdeckt, auf dem natürlich via regia stand. Dort waren Besucher und Passanten eingeladen, sich auf die Couch zu legen und einen Traum zu erzählen, dem wir zuhörten und deuteten. Einmal setzten sich zwei junge Frauen auf die Couch und schauten uns erwartungsvoll an. «Ob sie auch einen Traum erzählen wollen?», fragten wir sie, – «Ja, sehr gerne» – «Ja, alle beide?» – «Ja, jede von uns einen» – «Ja, hintereinander oder zusammen?» – «Ne neee, zusammen?» – «Also gut, wunderbar!» Und so war es dann auch, zuerst erzählte die eine, dann wir, die andere hörte zu, dann ging es weiter mit einem Traum der anderen und wir deuteten. Und es war spannend, es war aufregend und anregend für uns alle – natürlich mindestens zwei bunte Luftballons.
Dann mussten wir kurz weg, kamen nach einer Weile wieder, da sassen die beiden immer noch auf der Couch und jemand anderer im Sessel und sie waren sehr ins Gespräch vertieft. Dann stand der junge Mann auf ging, wir setzten uns dazu und die beiden erzählten, dass es sich umgekehrt hätte. Als sie nach unserem Weggehen weiter dort sassen, kam der junge Mann und fragte, ob er einen Traum erzählen könnte. Wir waren nicht da und sie meinten «ja, klar». Und so war es auch und auch das war sehr gut, alle fanden es spannend und waren zufrieden, hatten etwas gehört und erfahren.
Wunderschön! Die Positionen hatten sich vertauscht. Eine Ausbildungssituation! Ein Gespräch vom einen zum anderen und aus den Erzählerinnen von Träumen wurden Erzählerinnen von Traumdeutungen wurden Erzählerinnen von Träumen und wir zu Erzählerinnen von Geschichten von Ausbildung von Träumen.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Mal unabhängig von der Frage, ob die WBK diese Kompetenz schon immer hatte, sie sich formal korrekt oder inkorrekt gegeben hat (die ich damit übrigens garnicht abtun möchte): Ist es wirklich ein Problem, wenn ein Portfolio-Text zur Überarbeitung zurückgewiesen wird?
Du schreibst, dass man auch ohne der Möglichkeit einer Zurückweisung eines Textes die Möglichkeit hat, ein fruchtbares Standortgespräch zu führen. Das ist wohl richtig. Aber jenseits davon, kann man doch davon profitieren, wenn man einen Text nochmals überarbeitet. Das ist sicher im ersten und zweiten Moment nervig. Aber dabei kann man doch auch etwas gewinnen. Und kann es nicht auch das Resultat eines Gesprächs, wie du es dir wünschst sein? Dagegen ist dann meiner Meinung nach nichts einzuwenden (zumindest wenn man wirklich nur Teile und nicht den gesamten Text überarbeiten muss). Siehst du das anders?
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Ich kann nur für mich sprechen, nicht für alle, die den obigen Text gemeinsam vertreten, da bezüglich dieser Fragen, die Meinungen auseinander gehen. Darum hierzu mein persönlicher Senf.
Nein, ich sehe es nicht anders, weil es ist kein grundsätzliches Problem ist. Man kann davon profitieren, sehr sogar. Und ja, es kann sich ja im Laufe eines Gesprächs ergeben, dass man darin übereinkommt, ja dass sogar der Wunsch nach Überarbeitung beim Autor selbst aufkommt.
Das Problem besteht nicht auf der Ebene der grundsätzlichen Möglichkeiten sondern auf der Ebene der real existierenden Praxis. D.h. dass manche Mitglieder der WBK ihre Kompetenz missbrauchen, indem sie entweder die Teilnehmer in Weiterbildung wegen ihrer Texte runtermachen und sie bisweilen dazu nötigen Sichtweisen aufzuschreiben, die schlussendlich ihre eigenen sind, oder aber die Notwendigkeit zur Überarbeitung in einer Art und Weise kommunizieren, die schlicht und ergreifend respektlos und unsittlich ist. Dies Verhalten steht dann der Möglichkeit zu profitieren im Weg. Dem könnte man entgegenwirken, indem man der WBK diese Kompetenz entzieht. Dann wären diese Mitglieder nämlich dazu gezwungen zu versuchen ein Gespräch zu führen, bei dem sie auf das Gegenüber eingehen uns selbiges versuchen von ihrer Sichtweise zu überzeugen, wofür sie auf dessen Sichtweise eingehen müssten. Derzeit wird stattdessen häufig dessen Sichtweise niedergemacht und stattdessen die Sichtweise der WBK-Mitglieder ihm aufgedrückt. Es ist also just diese Praxis, die dieses Potenzial, wie du es ansprichst, untergräbt.
Übrigens gibt es zwei weitere formale Probleme, die noch garnicht angesprochen wurden.
1. Wenn ein Text als ungenügend eingestuft werden kann (nichts anderes bedeutet ja eine Zurückweisung zur Überarbeitung), dann haben wir de facto sowas wie eine schriftliche Prüfung eingeführt. Es ist aber das Selbstverständnis des PSZ, dass es keine Prüfungen gibt. Das bedeutet, dass die derzeit bestehende Praxis mit den Vereinsgrundsätzen im Widerspruch steht. Jetzt könnte man argumentieren, dass dies schlicht eine Notwendigkeit ist, die sich daraus ergeben hat, dass man sich hat vom BAG akkreditieren lassen. Und ich will hier garnicht diejenige sein, die stur an Grundsätzen festhält – Grundsätze kann man ja auch ändern. Nur müsste es dann auch transparent kommuniziert werden! Stand jetzt stellt sich das PSZ immer noch so dar, als ob es die Institution ist, an der es keine Prüfungen gibt: das wird am Informationsabend immer noch so kommuniziert. Das ist dann aber schlussendlich ein Ettiketenschwindel. Wenn man also aus einer externen Notwendigkeit heraus der WBK die unkontrollierte Kompetenz Portfoliotexte zurückzuweisen (bzw. „sie zur Überarbeitung zurückzugeben“) geben musste, dann muss man am Infoabend auch klar machen, dass es drei Mal eine Prüfung gibt und dazu stehen, statt sich weiter so zu gebärden als ob man das liberale, offene, tolerante Institut ist – das FIZ steht im Gegensatz dazu ziemlich offen zu den Anforderungen und Hürden, die sie setzen. Was mich dann zum zweiten Problem bringt.
2. Jede Prüfung muss vorab kommunizieren, was geprüft wird bzw. was die Kriterien für deren Erfüllung sind. Das ist derzeit mit den Portfoliotexten nicht der Fall. Es gibt derzeit keinen einsehbaren Text, in dem die Erwartungen der WBK-Mitglieder (allen voran derjenigen, die sich Weiterbildenden gegenüber so respektlos verhalten) einsehbar kommuniziert werden würden. Es gibt einen Text, der diese Funktion erfüllen soll, aber die dort gegebene Beschreibung ist hoffnungslos schwammig und hat nichts mit der Realität, wie sie manche Mitglieder der WBK schaffen, zu tun. Es ist schlichtweg formal unzulässig einen Text nicht anzunehmen, weil er die Erwartungen nicht erfüllt, wenn die Erwartungen nicht vorab kommuniziert wurden.
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Ja, natürlich: Was ist denn daran schlimm, wenn es zu einer solchen Zurückweisung kommt? Gar nichts, im Gegenteil. Gerade als Psychoanalytiker sollte man ja nicht vergessen, dass solcher Austausch, dass solche Diskussionen immer auch erotisch-sexuellen Charakter haben, Ablehnungen sind Zuwendungen und umgekehrt. Es geht ja in der Tat um Anziehungen und Abstossungen – keine Frage – und um einen solchen Austausch, der im Zeichen der Lust und damit immer auch im Zeichen der Angst steht. Und der kann immer auch heftig und leidenschaftlich werden – auch gar keine Frage.
Aus diesem Kontext wissen wir von sexuellen Praktiken, die dieses Spiel zum Exzess, es so weit treiben, dass es fast aufhört Austausch zu sein, die Lust gerade dadurch steigern, dass es zu einem Ende – beispielsweise durch Erdrosselung des Einen durch den Anderen – kommen könnte, dass ein solches Ende drohen könnte. Der Orgasmus wird nicht von ungefähr als petit mort bezeichnet.
Erotik und Sexualität sind immer mit im Spiel und es ist sicherlich nichts gegen eine solche Zurückweisung mit Aufforderung zur Überarbeitung einzuwenden. Allerdings nur dann, wenn die Möglichkeit besteht, dieser Aufforderung nicht nachzukommen oder auch anders nachzukommen – beispielsweise die beanstandete Argumentation erst recht noch auszubauen, dem Wunsch nach erotischem Austausch noch eins drauf zu geben. Denn es soll ja weitergehen, mit der Erotik, mit der Lust und mit den Fragen. Sie machen doch die Verführung und den Reiz aus, weiter zu denken und weiter zu machen.
Austausch ist Lust und Lust ist Austausch, darauf hat Freud schon mit den erogenen Zonen hingewiesen, die an den Körperöffnungen situiert sind, zu denen natürlich auch die Haut, eigentlich der ganze Körper gehört.
Dabei ist nicht zu vergessen, dass dieser Austausch daran gebunden ist, dass es eine beidseitige Anerkennung dessen gibt, nicht zu einem finalen Akt zu kommen, das Ende nicht wirklich herbeizuführen, es beim petit mort zu belassen. Wenn der Tod wirklich droht, dann ist die Sache nicht mehr lustig. Und bei den Gesprächen, um die es hier immer wieder geht, hängt doch Einiges mit dran. Es geht nämlich darum, dass man auf beiden Seiten diese Weiterbildung braucht – wohlgemerkt auf beiden Seiten. Austausch und Gespräch hören aber auf, wenn die Pistole raucht.
Es gilt nämlich für beide Seiten, dass es nicht nervig ist, wenn etwas zum Überdenken und Überarbeiten zurückgewiesen wird. Das macht das Salz in der Suppe für beide Seiten aus, die da am Tisch sitzen – und nicht nur für die eine. Das macht den Austausch aus, um den es in der Tat – da sind sich alle einig – wirklich geht.
So ist es bei Portfoliogesprächen schon vorgekommen, dass eine Zurückweisung mit Aufforderung zur Überarbeitung durchaus entgegengenommen wurde, der Text aber in wesentlichen Teilen eben nicht überarbeitet wurde. Und das war dann auch gut so und eine Erfahrung, die zu machen spannend ist.
Warum also sollte man so kleinlich sein, der einen Seite diesen Genuss einer Zurückweisung vorzuenthalten?
Situation Weiterbildung am PSZ – aber wohl kaum nur am PSZ
Warum lässt sich die WBK eigentlich siezen? Wir haben doch am PSZ eine Duzkultur…
Tod und Angst vor dem Tod
Eine Sendung des Schweizer Fernsehens zum Tod, zur Angst vor dem Tod und einem Umgang damit:
https://www.srf.ch/kultur/wissen/wochenende-wissen/drogen-als-medizin-lsd-vom-arzt-auf-dem-richtigen-trip-gegen-depressionen?wt_mc_o=srf.share.app.srf-app.sms
Der Tod ist das Andere par excellence. Er ist für die Lebenden nicht zugänglich, da scheint eine Grenze markiert, mit deren Überschreiten eine Rückkehr nicht mehr möglich ist. Die Bedeutung dieses Zurück wird in der Sage von Orpheus und Eurydike wunderschön beschrieben. Mit seinem Gesang erweicht Orpheus alle Herzen, selbst Kerberus, der Höllenhund, hört auf zu bellen und Hades gibt ihm die Möglichkeit, Eurydike wieder ins Leben zu führen. Er müsse einfach vorangehen und immer weiter spielen und singen und singen und spielen und dürfe sich nicht umdrehen. Wir wissen, was passiert ist.
Gilt also für dieses Verhältnis von Dissoziation Assoziation, dass es nicht heissen kann – und umgekehrt? Schon seit vielen Jahren gibt es nicht nur in Kalifornien Tanks, in denen Menschen eingefroren sind, um nicht auf ihren Tod warten zu müssen, sondern darauf, wieder zurück ins Leben kehren zu können. Ja, nein, sie sind nicht tot, aber sie leben auch nicht mehr. Sie sind Zombies, deren Hoffnung auf Erlösung im Weiterleben besteht und nicht darin, sterben zu können.
In Geboren mit Sand in den Augen – Die Autobiographie des Führers der Tuareg-Rebellen schildert Mano Dayak, dass bei den Tuareg die Toten losgelassen, dass an sie keine Gedanken verschwendet werden, weil das Wichtige das Leben ist. Auch in dieser extremen Abwendung von dem, was nicht mehr ist, hört das Dissoziierte nicht auf, Bedeutung zu haben, ganz im Gegenteil: Es intensiviert das Leben, lässt es auf der Haut brennen, lässt es tränen, wirkt wie eine Droge.
10 Jahre nach dem Absturz des Flug 111 nach New York lud die Swissair die Angehörigen und Hinterbliebenen zu einer Gedenkfeier nach Halifax ein. In der Sendung des Schweizer Fernsehens wurde eine ortsansässige Frau interviewt, die zu dem Ereignis meinte, dass die Toten das doch gar nicht wollen würden, sie wollten ihre Ruhe. Wir wissen es nicht, auf jeden Fall zeugt auch diese Bemerkung von der immensen Unruhe, um die es geht, die einen nicht loslässt im Leben.
In Totem und Tabu schildert Freud, wie die Einverleibung des Getöteten – und damit ja auch des Tods –, das Zusammenleben strukturiert, es zu einem gesellschaftlichen und sozialen Zusammenleben macht.
Tod und Angst vor dem Tod
Der Schlusssatz: :-* :‘-D
Tod und Angst vor dem Tod
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